Afghanistan: neuste Entwicklungen

14. Oktober 2022

Nach der Machtübernahme der Taliban ist die Lage in Afghanistan nach wie vor unübersichtlich. Es gibt zahlreiche Meldungen zu Menschenrechtsverletzungen. Erfahren Sie hier mehr zu den neusten Entwicklungen.

31.08.2023: The Guardian berichtet, dass die Taliban nach Bädern, Fitnessstudios und Parks nun angekündigt haben, Frauen den Besuch des beliebten Nationalparks Band-e-Amir zu verbieten. Grund dafür sei, dass sich die Besucherinnen nicht an die korrekte Trageweise des Hidschab hielten. Der Minister für Sitte und Tugend, der diese Massnahme gefordert hatte, begründete dies damit, dass «das Betreiben von Tourismus für Frauen nicht notwendig ist». Im Juli hatten die Taliban Friseur- und Schönheitssalons geschlossen und damit einen der letzten Orte der Sozialisierung für Frauen beseitigt. Ihre letzten Hoffnungen auf Bildung wurden auch dadurch erstickt, dass Ende August Stipendiatinnen, die im Ausland studieren wollten, am Flughafen von Kabul aufgehalten wurden. Wie die BBC berichtete, wurden selbst diejenigen gezwungen, das Flugzeug zu verlassen, die ihren männlichen Begleitern ein Visum bezahlt hatten. Eine männliche Begleitung wird Frauen auferlegt, wenn sie mehr als 75 km von ihrem Zuhause entfernt ausgehen wollen.

10.07.2023: Laut einer Mitteilung hat das SEM die Asylpraxis für Frauen und Mädchen aus Afghanistan angepasst: «Die Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan hat sich seit der Machtübernahme der Taliban in vielen Lebensbereichen kontinuierlich verschlechtert. Die zahlreichen Einschränkungen und auferlegten Verhaltensweisen haben gravierende Auswirkungen auf ihre fundamentalen Menschenrechte und schränken ihre Grundrechte massiv ein. Vor diesem Hintergrund können weibliche Asylsuchende aus Afghanistan sowohl als Opfer diskriminierender Gesetzgebung (Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) als auch einer religiös motivierten Verfolgung betrachtet werden, und ihnen ist die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen – sofern keine anderen Verfolgungsmotive gegeben sind. Ihre Gesuche wird das SEM weiterhin einzelfallspezifisch prüfen.»

20.06.2023 Die TAZ berichtet über «das Massengrab der Träume von Afghaninnen» und bezieht sich auf den neuen Bericht des UN-Sonderberichterstatters zu den Menschenrechten in Afghanistan und der UN-Arbeitsgruppe gegen Frauendiskriminierung. Sie legen nahe, dass die systematische Unterdrückung von Frauenrechten durch die Taliban offiziell als «Gender-Apartheid» eingestuft werden sollte. Die weltweit einzigartige Serie «gnadenloser Dekrete» und das Fehlen fast jeglicher juristischen Möglichkeiten, Rechte einzuklagen, liessen «Frauen und Mädchen in Afghanistan schwere Diskriminierung erfahren». Dies «könnte genderbasierter Verfolgung – einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit – gleichkommen und als Gender-Apartheid charakterisiert werden». Laut der TAZ bestätige Shaharzad Akbar, bis 2021 Vorsitzende der von den Taliban aufgelösten Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans dies: die Taliban haben Afghanistan «in ein Massengrab für die Ambitionen, Träume und das Potenzial afghanischer Frauen» verwandelt.

08.06.2023 Laut einem Bericht von Amnesty International (AI) haben die Taliban in der Region Panchir das Kriegsverbrechens der kollektiven Bestrafung an der Zivilbevölkerung begangen. Die Bevölkerung ist Folter sowie illegalen und aussergerichtlichen Hinrichtungen in Haft ausgesetzt. Willkürliche Massenverhaftungen und Inhaftierungen werden organisiert, um die Bevölkerung einzuschüchtern. Andere Einschüchterungstaktiken umfassen die Zerstörung und langfristige Beschlagnahmung von Eigentum der Zivilbevölkerung sowie Einschränkungen der Bewegungsfreiheit (nächtliche Ausgangssperre, Zugang zu Weideflächen usw.). Die Repressionen folgen auf die Flucht vieler Mitglieder der ehemaligen Sicherheitskräfte mit Ausrüstung und Waffen nach Panchir, um sich der Nationalen Widerstandsfront (NWF) anzuschliessen. Laut AI sind die Taliban weder willens noch in der Lage, das Vorgehen der eigenen Sicherheitskräfte zu untersuchen oder ihre Soldaten zur Rechenschaft zu ziehen.

20.05.2023 Ein Artikel von Radio Free Europe berichtet, dass nach Angaben des Gesundheitsministeriums der Taliban auf 1000 Lebendgeburten 22 Kinder sterben. Im Jahr 2020 gab es nach Angaben der UN-Organisationen 638 Todesfälle bei Müttern pro 100.000 Lebendgeburten. Mit dieser Zahl gehört die Müttersterblichkeitsrate in Afghanistan zu den zehn höchsten der Welt. Seitdem sind keine Statistiken mehr veröffentlicht worden. Private Krankenhäuser, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) und Ärzte ohne Grenzen (MSF) beschäftigen trotz des von den Taliban verhängten Verbots gegen humanitäre Helferinnen aufgrund einer Ausnahmeregelung im Gesundheitsbereich weiterhin Frauen. Doch wirtschaftliche Schwierigkeiten, die Abwanderung von Gesundheitspersonal, das niedrige Bildungsniveau, die schlechte Infrastruktur, der fehlende Zugang zu medizinischer Versorgung und die strengen Einschränkungen für Frauen – ob Mitarbeiterinnen oder Patientinnen – tragen zu einer sehr hohen Müttersterblichkeitsraten bei.

18.05.2023 Laut einem Artikel des Afghanistan-Experten Thomas Ruttig im Onlinemagazin Menara geht der Gesellschaftsentwurf des Islamischen Emirats Afghanistan mit einer deutlichen Verschlechterung der Menschenrechte einher. Die systematische Verletzung der Grundrechte von Frauen und Mädchen, die Unterdrückung von zivilen Protesten und bewaffnetem Widerstand sowie das gezielte Vorgehen gegen tatsächliche oder vermeintliche Oppositionelle sind an der Tagesordnung. Die Taliban haben ihre Versprechen einer allgemeinen Begnadigung für die Mitglieder der früheren Regierung und ihrer Sicherheitskräfte nicht eingehalten. Der oberste Führer des Landes Hebatullah Akhundzada wird von einem kleinen Kreis religiöser Gelehrter beraten, der für die Aussenwelt unzugänglich ist. Diese Gruppe festigt eine unberechenbare und nicht zentralisierte Macht in einem Staat ohne parlamentarische Institutionen. Der bewaffnete Widerstand ist ebenso wie die politischen Bewegungen im Exil zersplittert und wird von keinem internationalen Akteur aktiv unterstützt. Die Armut ist fortwährend und zwei Drittel der Gesamtbevölkerung sind derzeit auf humanitäre Hilfe angewiesen.

09.05.2023 Laut einem Bericht der Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) über die Menschenrechtslage im Land setzen die Taliban Körperstrafen weit verbreitet ein und haben diese seit November 2022 erhöht. Diese werden häufig von Beamt*innen der Polizei oder des Ministeriums für Vize und Tugend verhängt. Hinrichtungen, die vor allem in der Öffentlichkeit durchgeführt wurden, waren bis April 2023 nur in geringer Zahl zu verzeichnen. Der Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs gab bekannt, dass die Gerichte Hunderte von Todesurteilen ausgesprochen haben. Im Allgemeinen werden Körperstrafen aufgrund von Anklagen wegen moralisch motivierter Verbrechen gefällt. Diese Verurteilungen betreffen eine grosse Anzahl von Frauen.

12.04.2023 Laut der humanitären Informationsplattform ACAPS haben die Taliban afghanischen Frauen verboten, für die Vereinten Nationen in Afghanistan zu arbeiten. Die Tageszeitung taz berichtet, dass diese Situation die Vereinten Nationen dazu veranlasst, ihre Präsenz in Afghanistan in Frage zu stellen. Die Organisation könnte ihre afghanische Mission, die UNAMA, ins Ausland verlegen. Ihre gesamte Tätigkeit, die durch die Taliban bereits weitgehend behindert wird, könnte unterbrochen werden. Die Vereinten Nationen haben ihre 3.300 afghanischen Mitarbeiter, darunter 400 Frauen, aufgefordert, nicht zur Arbeit zu gehen. Das von den Taliban verhängte Verbot schränkt den Zugang zu UN-Hilfsgütern für 28,3 Millionen Menschen ein und erschwert die Hilfe für 11,6 Millionen Frauen und Mädchen. Die Entscheidung kommt inmitten einer schweren Wirtschaftskrise: 95% der Afghanen haben nicht genug zu essen, und fast alle Haushalte werden von Frauen geführt, die durch die ihnen auferlegten Einschränkungen noch stärker gefährdet sind.

09.03.2023: Laut TAZ tötete ein Selbstmordattentäter in der Provinz Balch sieben Menschen und verletzte 15 weitere, wobei er den Taliban-Gouverneur Muhammad Daud Muzammil tötete. Dieser war dafür bekannt, dass er als Gouverneur der Provinz Nangrahar ein gewaltsames Vorgehen gegen den Islamischen Staat in Khorassan (ISKP) angeführt hatte, bevor er nach Balch versetzt wurde. Zu dem Selbstmordanschlag hat sich bislang niemand bekannt, er könnte jedoch als Vergeltungsmassnahme des ISKP gegen die Taliban verübt worden sein. Abdul Sayed, ein in Schweden lebender afghanischer Terrorismusexperte, sprach gegenüber der TAZ von einem "schweren Schlag für die Taliban". Die Taliban töteten Anfang März sechs Mitglieder des ISKP in Herat. Der ISKP bekannte sich zu einem Anschlag am 8. März in Herat, bei dem der Taliban-Chef der Wasserbehörde und zwei weitere Personen getötet wurden. Ende Februar hatten die Taliban in Kabul auch Idjas Ahangar, den Leiter des pakistanischen Zweigs des ISKP, getötet.

08.03.2023: Laut France 24 wurde die Scheidung von Frauen, die sich unter dem Vorgängerregime des Islamischen Emirats Afghanistan scheiden liessen, annulliert. Mehrere betroffene Frauen wurden mitunter unter körperlicher Gewalt dazu gezwungen, wieder mit einem missbräuchlichen Ex-Mann zusammenzuleben. Laut UNAMA (United Nations Assistance Mission in Afghanistan) sind neun von zehn Frauen körperlicher, sexueller oder psychologischer Gewalt durch ihre Partner ausgesetzt. Unter dem vorherigen Regime stiegen die Scheidungsraten in einigen Städten stetig an. Die Scheidung bleibt in Afghanistan nach wie vor ein Tabu. Die Taliban würden einer Scheidung, die von der Frau eingereicht wird, nur im Fall von Exil oder Drogenabhängigkeit des Ehemannes erlauben. In Fällen von häuslicher Gewalt oder wenn der Ehemann nicht einverstanden ist, lässt das Gericht keine Scheidung zu.

27.02.2023 Laut einem Artikel der TAZ wurden im Jahr 2022 über 61.000 Menschen aus der Türkei nach Afghanistan abgeschoben. Ein Bericht von Human Rights Watch (HRW) hatte bereits auf diese alarmierende Situation hingewiesen. Laut der TAZ gibt es in der Türkei mehr als 25 Orte, an denen Migranten eingesperrt werden und Asylanträge von Afghaninnen und Afghanen ignoriert werden. Die TAZ beschreibt auch Videotelefonate, die vom Gefängnispersonal zwischen den geflüchteten Personen und den Taliban-Behörden organisiert werden, sowie systematische Besuche von Taliban in den Abschiebegefängnissen, dies wird von Zeugenaussagen bestätigt. Die Türkei, die bereits ihre Grenze zu Syrien militarisiert hatte, baut nun mit Unterstützung der Europäischen Union (EU) eine Mauer entlang ihrer Grenze zum Iran. Seit 2018 hat der UNHCR die Registrierung von Asylanträgen in der Türkei an die Behörden des Landes übertragen, die diese kaum noch prüfen. Zehntausende afghanische Personen werden daher in den Iran zurückgeschoben oder nach Afghanistan abgeschoben.

23.02.2023: Ein Bericht der International Crisis Group (ICG) ist besorgt über die sehr harten Einschränkungen, die die Taliban den Frauen auferlegen, insbesondere auch den Ausschluss vom Universitätssystem und von der Arbeit in NGOs. Die Unterdrückung der Hälfte der Bevölkerung behindert die Wirtschaft des Landes. Für NGOs ist es sehr schwierig geworden, ihre Arbeit in Afghanistan fortzusetzen und besonders Frauen und Mädchen zu erreichen. ICG ist der Ansicht, dass ungünstige Reaktionen der westlichen Länder (Kürzung von Hilfsgeldern, Ausweitung von Sanktionen usw.) verheerende Auswirkungen vor allem auf arme Menschen und Frauen haben würden, die von der Krise besonders betroffen sind. Die westlichen Regierungen sollten stattdessen humanitäre Appelle finanzieren, wichtige Strukturen (Banken, Bewässerung, Energie, Gesundheit usw.) wiederherstellen und sich auf langfristige soziale Veränderungen konzentrieren, indem sie die internationale Hilfe aufrechterhalten, um die bereits katastrophale Lage des Landes nicht noch weiter zu verschlimmern.

13.02.2023 Wie die TAZ mit Verweis auf den Bericht der Nachrichtenseite Rukhshana berichtet, ist der Verkauf von Verhütungsmitteln für Frauen in Kabul und in der Metropole Masar-i-Sharif verboten. Ein offizielles schriftliches Verbot der Taliban soll es noch nicht gegeben haben und es bleibt unklar, welche Taliban-Behörde die Anordnung erlassen hat. Kondome wären nicht betroffen. Der Import und die Ausgabe von Verhütungsmitteln für Frauen soll bereits Ende Januar mit einer Beschlagnahmung bei einem Kabuler Grosshändler verboten worden sein. Zeugenaussagen zufolge werden Verhütungsmittel nicht mehr von Hebammen verteilt, die oftmals die erste und wichtigste Quelle sind, und haben sich bei Ärzten, die sie noch verkaufen, im Preis verdoppelt. Afghanistan hat in Asien die höchste Rate an Todesfällen bei der Geburt (638/100.000) und eine Geburtenrate von 6,3 Kindern pro Frau. Jedes zehnte Kind wurde von einer minderjährigen Frau geboren.

30.01.2023 Mehreren Medienberichten zufolge, darunter Le Monde, wird Dänemark afghanischen Frauen systematisch Asyl gewähren. Dies wegen der starken Verschlechterung der Lebensbedingungen und der Rechte von Frauen und Mädchen seit der erneuten Machtübernahme der Taliban. Eine Verschlechterung, die bereits in einem Bericht der Asylagentur der Europäischen Union (EUAA) festgestellt wurde und worin die EUAA zum Schluss kam, dass die Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan eine Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention darstellt. Diese Schlussfolgerung erfolgte unter anderem aufgrund der Einschränkungen, denen Frauen beim Zugang zu medizinischer Versorgung und zur Arbeit, bei der Bewegungs- und Meinungsfreiheit sowie dem Recht auf Bildung unterworfen sind.

23.01.2023 Laut einem Artikel in der TAZ Die Tageszeitung sprach Amina Mohammed, die stellvertretende Generalsekretärin der Vereinten Nationen, von Kabul aus im Sender Tolo TV, um die Aufnahme von Frauen in die afghanische Regierung zu fordern. Die Taliban reagierten heftig und erklärten, dass niemand dem afghanischen Volk seine Themen aufzwingen dürfe. Bei einem offiziellen Besuch in Afghanistan hatte sich Amina Mohammed mit verschiedenen Talibanführern getroffen und sie gebeten, den Ausschluss von Frauen und Mädchen zu überdenken, um Afghanistan wieder in die internationale Gemeinschaft einzugliedern. Der stellvertretende Regierungschef der Taliban, Abdulsalam Hanafi, und Aussenminister Amir Chan Muttaki sagten, sie wünschten sich ein Ende der Sanktionen und internationale Anerkennung. Talibanführer Hebatullah Achundsada traf nicht mit Amina Mohammed zusammen, die nach Kandahar gereist war, um sich mit hochrangigen Vertretern des Landes zu treffen. Die Vizegeneralsekretärin konnte nur mit dem Vizegouverneur von Kandahar, Hajatullah Mubarak, und zwei weiteren Talibanführern, die Hebatullah nahestehen, sprechen. Ohne Kandahar besucht zu haben, nahm auch Sima Bahous, die Exekutivdirektorin der Frauenorganisation der Vereinten Nationen (UN Women), an diesem Besuch der Vereinten Nationen in Afghanistan teil und äusserte sich alarmiert über die sich verschlechternde humanitäre Lage in dem Land. Obwohl die beiden Frauen Musliminnen sind, wurden sie nicht von Hebatullah Achundsada empfangen. Grundsätzlich empfängt der oberste Führer keine Nichtmuslime und nur sehr selten ausländische Persönlichkeiten. Diese Einschränkung gilt im Übrigen auch für Beamte aus muslimischen Ländern. Trotz der Ablehnung ihrer Forderungen durch die oberen Ebenen der Taliban-Macht sprachen sich die beiden UN-Vertreterinnen für weitere Gespräche mit den afghanischen Behörden aus, insbesondere mit dem am wenigsten fundamentalistischen Teil der Taliban. Sie betonten auch, dass die Öffnung des Taliban-Regimes gegenüber den Aussenbeziehungen eine grosse Aufgabe sei.

20.01.2023 Laut einer gemeinsamen Erklärung von Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen (UN) brechen die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz in Afghanistan zusammen, mit katastrophalen Folgen für die Menschenrechte. Anwälte, Richter und andere Akteure des Justizsystems sind in ihrer Sicherheit bedroht. Die Unabhängigkeit des Justizsystems ist nicht mehr gegeben. Die Sonderberichterstatter haben die internationale Gemeinschaft ausserdem vor dem Ausschluss von Frauen aus den Rechtsinstanzen gewarnt: Mehr als 250 Richterinnen und Hunderte von Anwältinnen und Staatsanwältinnen wurden bereits von den Taliban ihres Amtes enthoben. Ebenfalls nach Angaben der Sonderberichterstatter leben viele Richterinnen versteckt oder haben das Land verlassen. Mehr als ein Dutzend männliche Staatsanwälte sollen darüber hinaus im ganzen Land getötet worden sein, und viele andere leben wie ihre weiblichen Kollegen versteckt. Staatsanwälte werden häufig ins Visier genommen oder ins Abseits gedrängt, weil sie unter dem vorherigen Regime gegen Taliban ermittelt oder diese verfolgt haben. Die Genfer Anwaltskammer warnte zudem vor der Situation der Anwälte in Afghanistan seit der Machtübernahme durch die Taliban und knüpfte damit an die Forderung der belgischen Anwälte im Dezember 2022 an.

Seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2021 haben die Taliban Männer aus ihren Reihen ernannt, um die neu geschaffenen oder wiederbesetzten Justizposten zu besetzen. Diese haben häufig eine religiöse Grundausbildung erhalten. Sie werden von muslimischen Rechtsexperten, den sogenannten Muftis, beraten, die befugt sind, in religiösen Fragen zu entscheiden. Darüber hinaus wurden die Gesetze und Regeln für Gerichtsverfahren ausgesetzt und Frauen dürfen nur dann vor Gericht erscheinen, wenn sie Partei eines Rechtsstreits sind. Nach Angaben der UN-Sonderberichterstatter werden mutmassliche Straftäter häufig am selben Tag von der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden inhaftiert, verurteilt und bestraft, wobei jeglicher Anschein eines ordentlichen Verfahrens oder einer gerichtlichen Kontrolle verneint wird. Nach Ansicht des Wissenschaftlers Adam Backzo war der Aufbau eines Rechtssystems, das parallel zu den früheren Behörden funktionierte oder diese ersetzte, ein wichtiger Bestandteil des Machtkampfes der Taliban. Die Taliban-Gerichte bauten ihre Anerkennung bei einem Teil der afghanischen Bevölkerung auf, indem sie unter anderem zahlreiche Entscheidungen zu Landkonflikten lieferten.

13.01.2023 Laut einem Artikel des Afghanistan-Experten Thomas Ruttig in der Tageszeitung bekannte sich der Islamische Staat – Provinz Khorasan (ISKP) zu dem Selbstmordanschlag, der am 12. Januar kurz vor 16 Uhr vor dem afghanischen Aussenministerium verübt wurde. Ein Angreifer hatte sich dort an einem Seiteneingang in die Luft gesprengt und dabei nach Angaben der Taliban mindestens fünf und nach Angaben der ISKP mindestens 20 Menschen getötet. Weitere Zählungen und Nominierungen von Opfern wurden aus dem Ausland in sozialen Netzwerken gepostet, unter anderem von ehemaligen Mitarbeitern des Ministeriums. Laut BBC verurteilte die Polizei in Kabul einen feigen Akt. Ebenfalls laut der Tageszeitung zählte der nationale Direktor der NGO Emergency, die das grösste Krankenhaus für Kriegsopfer in Kabul betreibt, über 40 Verletzte. Die ISKP ist eine politische Gegnerin der Taliban und greift regelmässig deren Strukturen sowie Staatsangehörige von Ländern an, die mit den Taliban kooperieren. Die Gruppe bekannte sich unter anderem zu einer Explosion am Flughafen von Kabul, dem versuchten Mord an dem pakistanischen Geschäftsträger in Kabul, der Erstürmung eines Hotels, in dem chinesische Geschäftsleute untergebracht waren, und einem Selbstmordanschlag vor der russischen Botschaft. Die Hauptziele der ISKP sind jedoch nach wie vor die konfessionellen Minderheiten, insbesondere die Schiiten. Obwohl die ISKP viele Unterstützer in der afghanischen Bevölkerung verloren hat, soll sie immer noch über Rückzugsgebiete in den abgelegenen Bergtälern der Provinzen Kunar und Nangrahar verfügen. Die Struktur soll auch von militanten antischiitischen pakistanischen Gruppen unterstützt werden. Die Taliban gehen ihrerseits systematisch - auch mit summarischen Hinrichtungen - gegen Personen oder Gemeinschaften vor, von denen angenommen wird, dass sie die ISKP unterstützen, darunter auch salafistische Prediger und Moscheen.

25.12.2022 Laut Le Temps hat das afghanische Wirtschaftsministerium Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aufgefordert, nicht mehr mit Frauen zu arbeiten, da ihnen sonst die Erlaubnis entzogen würde, im Land tätig zu sein. Den afghanischen Behörden zufolge wurde diese Entscheidung damit begründet, dass die betreffenden Organisationen die Pflicht, den Hidschab zu tragen, nicht ordnungsgemäss durchgesetzt hätten. Nach Angaben der Vereinten Nationen wird diese Entscheidung verheerende Auswirkungen auf die afghanische Wirtschaft haben, die Arbeit von NGOs behindern und auch vielen Haushalten das Einkommen entziehen. Save the Children, der Norwegische Flüchtlingsrat und CARE International kündigten an, bis zur Klärung der Entscheidung der Taliban ihre Aktivitäten auszusetzen. Die afghanischen Behörden haben noch nicht klargestellt, ob ihre Entscheidung auch das weibliche ausländische Personal der NGOs betrifft. Die Entscheidung der Taliban führte zu internationalen Verurteilungen, unter anderem von der Organisation für Islamische Zusammenarbeit und der deutschen Aussenministerin. Laut France 24 wird diese Entscheidung von einer minoritären, aber mächtigen Taliban-Strömung unterstützt, die sich um den Anführer Haibatulla Akhundzada in Kandahar gruppiert. Diese Gruppe, die für die extremistischsten Entscheidungen verantwortlich ist, steht in zunehmendem Gegensatz zu einer anderen Taliban-Strömung, die sich auf Kabul konzentriert und zu einer relativ moderaten Regierungsführung im Land neigt. 

20.12.2022 Laut The Guardian hat Neda Mohammad Nadeem, das Ministerium für höhere Bildung der Taliban, ein Schreiben an alle staatlichen und privaten Universitäten veröffentlicht, in dem sie eine Entscheidung der Machthaber übermittelte, die Frauen den Zugang zu höherer Bildung auf unbestimmte Zeit verbietet. Diese Entscheidung kam weniger als drei Monate, nachdem Tausende Mädchen und Frauen die Aufnahmeprüfungen für die Universitäten abgelegt hatten. Vielen weiblichen Teenagern in Afghanistan wurde bereits der Zugang zur Sekundarschule verwehrt, was bereits den Zugang zur Universität behinderte. Darüber hinaus wurden Frauen aus vielen Regierungsjobs verdrängt oder erhielten ein geringeres Gehalt, um zu Hause zu bleiben. Viele Länder sowie die Vereinten Nationen und NGOs verurteilten die Entscheidung der Taliban.

20.12.2022 Laut Voice of America (VOA) haben die Taliban Massnahmen ergriffen, um die Radiosendungen von VOA und Radio Free Europe/Radio Liberty in Afghanistan zu blockieren. Seit der Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan im Jahr 2021 sind afghanische Journalisten mit Zensur und Unterdrückung konfrontiert. Die ihnen auferlegten Beschränkungen haben dazu geführt, dass viele Journalistinnen ihre Arbeit aufgegeben oder das Land verlassen haben. Mehrere Presseorgane wurden geschlossen, und mindestens drei Journalistinnen befinden sich derzeit im Gefängnis.

7.12.2022 Laut der Deutschen Welle werden in Afghanistan wieder Körperstrafen praktiziert, die an die Strafen des ersten Taliban-Regimes (1996-2001) erinnern. In einem Kommunique der Taliban vom 7. Dezember wurde die öffentliche Hinrichtung eines Mannes in der Provinz Farah angekündigt, die erste bestätigte Hinrichtung seit dem Machtwechsel. Laut dem Communiqué wurde die Hinrichtung in Anwendung des islamischen Prinzips qisas, der Gegenseitigkeit von Verbrechen und Strafe, durchgeführt. Der hingerichtete Mann hatte vor fünf Jahren einen Mann getötet und dessen Motorrad und Telefon entwendet. Er soll, wie CBS unter Berufung auf Aussagen der Taliban berichtet, drei Gewehrkugeln vom Vater seines Opfers erhalten haben. Eine Sprachnachricht der Mutter des Opfers, in der sie ihre Genugtuung ausdrückte, soll über soziale Netzwerke verbreitet worden sein. Der hingerichtete Mann soll den Mord gestanden haben, nachdem die Familie ihn beschuldigt hatte, was zu seiner Festnahme führte, deren Datum nicht veröffentlicht wurde. Den Aussagen der Taliban zufolge wurde die Entscheidung zur Hinrichtung von drei der höchsten Gerichte des Landes und dem Obersten Führer Haibatullah Akhundzada gebilligt. 
Darüber hinaus haben Taliban-Führer in den Provinzen Logar, Laghman, Bamiyan, Ghazni und Takhar vor kurzem Dutzende Männer und Frauen öffentlich ausgepeitscht, die wegen moralischer Verbrechen verurteilt wurden. Provinzbeamte forderten die Bevölkerung auf, zu kommen und die Bestrafungen zu beobachten, von denen Fotos in sozialen Netzwerken verbreitet wurden. Die Bestrafungen würden lokal über Lautsprecher angekündigt, und Ladenbesitzern werde gedroht, ebenfalls ausgepeitscht zu werden, wenn sie ihre Läden nicht schliessen, um den Bestrafungen beizuwohnen. Eine Zeugenaussage berichtet, dass bei den Auspeitschungen eine Peitsche aus Leder und Metall verwendet wurde, die extreme Schmerzen verursachte.

18.11.2022: Laut einem Bericht von Human Rights Watch (HRW) drängt die Türkei regelmäßig Zehntausende Afghan*innen an ihrer Landgrenze zum Iran zurück oder schiebt sie direkt nach Afghanistan ab. Ihre Anträge auf internationalen Schutz werden kaum oder gar nicht geprüft. Die von HRW gesammelten Zeug*innenaussagen berichten ausserdem von Schüssen auf Flüchtlinge und von Körperverletzungen durch die türkische Grenzbehörde an der türkischen Grenze. Insbesondere alleinstehende Männer seien davon betroffen. Die von HRW befragten afghanischen Männer konnten seit ihrer Ankunft in der Türkei keinen Antrag auf internationalen Schutz stellen.

Gemäss HRW keine Seltenheit: Zahlreiche afghanische Geflüchtete würden daran gehindert, sich in der Türkei für internationalen Schutz zu registrieren. Zudem käme es zu Abschiebungen, bevor ein Asylgesuch gestellt werden könne. Nach Angaben des türkischen Innenministeriums wurden im Jahr 2022 238’448 Personen, die meisten von ihnen afghanische Staatsbürger*innen, an der Einreise in das Land gehindert. Zudem seien in den ersten acht Monaten des Jahres 2022 44’768 Afghan*innen auf dem Luftweg nach Kabul abgeschoben worden.

14.11.2022: Der oberste Führer Afghanistans, Haibatullah Akhundzada, hat gemäss einer Meldung der Agence France Presse (AFP), die vom Guardian übernommen wurde, die Richter angewiesen, bestimmte Aspekte des islamischen Rechts (Scharia) vollständig anzuwenden, darunter öffentliche Hinrichtungen, Steinigungen, Auspeitschungen und Amputationen. Akhundzadas Erklärung legte den Schwerpunkt auf hudud (Verbrechen, für die Strafen obligatorisch sind) und qisas (Strafen, die im Verhältnis zum Schaden stehen). Zu den hudud-Verbrechen gehören Ehebruch, Alkoholkonsum, Diebstahl, Entführung, Straßenüberfälle, Apostasie und Rebellion. Qisas deckt u. a. Mord und vorsätzliche Körperverletzung ab, erlaubt es den Familien der Opfer aber auch, statt einer Bestrafung eine Entschädigung zu akzeptieren. Seit der Machtübernahme der Taliban wurden mehrere Bilder von körperlichen Züchtigungen und Leichen von Personen, die eines Verbrechens beschuldigt wurden, verbreitet. Diese Bilder erinnern insbesondere an die öffentlichen Auspeitschungen und Hinrichtungen im Ghazi-Stadion in Kabul während der ersten Herrschaftsperiode der Taliban.

10.11.2022: Die Taliban haben es Frauen und Mädchen mit oder ohne männliche Begleitung verboten, öffentliche Parks und Sporthallen in der afghanischen Hauptstadt Kabul zu besuchen. Nach den Einschränkungen, die die Bewegungsfreiheit und den Zugang zu Bildung von Frauen beschränken, werden sie durch diese Bestimmung noch weiter vom öffentlichen Leben und aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen. Bisher war es Frauen an drei Tagen in der Woche - Sonntag, Montag und Dienstag - und Männern an den übrigen vier Tagen erlaubt, Parks zu besuchen. Die neue Regel gilt derzeit nur für die Hauptstadt, aber in der Vergangenheit wurden solche Regeln schliesslich im ganzen Land angewandt

19.10.2022: Laut dem UN-Ernährungsprogramm (WFP) leiden mindestens 3,9 Millionen afghanische Kinder an akuter Unterernährung. Insgesamt leiden 19,7 Millionen Menschen – fast die Hälfte der afghanischen Bevölkerung – an akutem Hunger. Die Tendenz sei steigend: 4,7 Millionen Kinder, schwangere Frauen und stillende Mütter werden dieses Jahr wahrscheinlich an akuter Unterernährung leiden, und in allen 34 Provinzen des Landes herrsche weiterhin Ernährungsunsicherheit auf Krisen- oder Notstandsniveau. Das WFP arbeitet an der Neubewertung der Indikatoren des Landes für Ernährungssicherheit und insbesondere des Integrated Food Security Classification Framework (ICF), mit dem der Schweregrad́ der akuten Ernährungsunsicherheit́ in fünf Phasen eingeteilt werden kann. Laut dem letzten Bericht des WFP vom Mai 2022 befanden sich sechs Millionen Menschen in Phase 4 (Notlage) des CPI und 13 Millionen in Phase 3 (Krise) des CPI. Neun von zehn Haushalten haben laut dem letzten WFP-Update zur Ernährungssicherheit (Juli 2022) Schwierigkeiten, ihren Nahrungsmittelbedarf zu decken. Der Anteil der Nahrungsmittelausgaben der Haushalte sei weiter angestiegen und habe im vergangenen Juli über 90% erreicht. Dies ist ein Anstieg von 10% seit Januar. Das WFP intensiviert seine Bemühungen für den Winter und möchte 15 Millionen Menschen pro Monat unterstützen, Dafür benötigt die Organisation nach eigenen Angaben 1,14 Milliarden US-Dollar benötigt, um ihre Tätigkeit bis im März 2023 aufrecht zu halten.

14.10.2022: In einer öffentlichen Erklärung alarmiert Amnesty International über den Versuch der Taliban, seit ihrer Rückkehr an die Macht im Jahr 2021, Frauen und Mädchen aus der Gesellschaft auszulöschen. Die Politik, Verordnungen und Erlasse der Behörden verweigern den Frauen und Mädchen ihre grundlegenden Rechte im ganzen Land, einschliesslich der Rechte im Zusammenhang mit der öffentlichen Beteiligung, Bildung, Freizügigkeit, friedlichen Versammlungen und Meinungsäusserung. Das Verschwindenlassen von Personen, Folter und andere Misshandlungen durch Mitglieder der De-facto-Behörden sowie wirtschaftliche und soziale Bedingungen, welche die Rechte von Frauen und Mädchen direkt beeinträchtigen – vom Zusammenbruch der Wirtschaft bis hin zur steigenden Zahl von Kinderehen, Frühehen und Zwangsehen – tragen zu den Schwierigkeiten bei, mit denen Frauen und Mädchen konfrontiert sind. Diese öffentliche Erklärung stützt sich auf den jüngsten Amnesty-Bericht über das Schicksal von Frauen und Mädchen unter dem Taliban-Regime und wurde insbesondere durch zehn aktuelle Interviews mit Frauenrechtsaktiv*innen und Demonstrant*innen innerhalb des Landes und mit jenen, denen es gelungen ist, Afghanistan zu verlassen, inspiriert. 

05.10.22: Laut dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) hat die Wirtschaft des Landes seit der Machtübernahme durch die Taliban fünf Milliarden US-Dollar verloren ­– ein Betrag, der innerhalb von zehn Jahren aufgebaut wurde. Etwa 700’000 Arbeitsplätze seien verloren gegangen. Das UNDP stellt fest, dass die Auswirkungen des Booms der illegalen Wirtschaft, der starken Einschränkungen für Frauen, des Einfrierens ausländischer Vermögenswerte, der internationalen Sanktionen, der Inflation und der Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zu spüren sind. Die Umstrukturierung des öffentlichen Dienstes, bei der einige Stellen gestrichen worden seien, wirke sich auf das Einkommen vieler Haushalte aus. 20 Millionen Menschen sollen eine hohe oder kritische Ernährungsunsicherheit erreicht haben, insbesondere Kinder unter fünf Jahren und die Bevölkerung in den südlichen Regionen. Am Rande dieser ernsten Situation stellt der Bericht auch fest, dass die Zolleinnahmen aufrechterhalten und das Handelsdefizit verringert wurden.

02.10.2022: Nach dem Selbstmordattentat im Kaaj-Bildungszentrum bei dem 35 junge Hazara-Frauen getötet wurden, kam es nach Angaben von The Guardian zu Protesten gegen den Anschlag in Kabul. Der Protest sei innert wenigen Minuten gewaltsam aufgelöst worden. Taliban-Kräfte hätten die Protestierenden geschlagen und mit Pfefferspray angegriffen.

Auch in anderen Teilen des Landes hätten Frauen demonstriert: Am Sonntagmorgen versammelten sich hunderte von Frauen vor der Universität Herat um bei einem Protestmarsch ihr Recht auf Bildung und Sicherheit für Hazaras einzufordern. Zeug*innen berichteten, dass die Taliban auf die Protestierenden geschossen hätten. Eine Demonstrantin sei zudem zu Boden gerissen worden, als ein Taliban sie am Kopftuch gepackt habe.

30.09.22: Laut Reuters tötete ein Selbstmordattentäter im Kaaj-Bildungszentrum im Kabuler Stadtteil Dashte Barchi mindestens 19 Menschen, mehrere weitere seien verletzt worden. Der Stadtteil werde von er schiitischen Minderheit der Hazara bewohnt. Bei der Explosion seien vor allem Frauen getroffen worden, die sich in der Nähe des Haupttores, durch das der Selbstmordattentäter eintrat, versammelt hätten. Zu der Tat bekannte sich niemand. Das Hazara-Viertel Dashte Barchi sei bereits im April Ziel eines Anschlags geworden, als laut BBC bei einem doppelten Bombenanschlag auf eine Jungenschule mindestens sechs Menschen getötet und mehr als 20 verletzt wurden. Seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 seien laut Human Rights Watch bei 16 Anschlägen mindestens 700 Hazara getötet worden. Zu 13davon bekannte sich der ISIS-K.

26.09.2022: ACPAS, ein Projekt in Genf, welches Analysen für humanitäre Organisationen erstellt, publizierte den halbjährlichen erscheinenden Bericht Afghanistan Risk Overview, der die grössten Risiken in Afghanistan aufzeigt, welche die humanitäre Situation in den nächsten sechs Monaten beeinflussen könnten. ACAPS geht davon aus, dass mit Beginn der Wintersaison die Lebensbedingungen der Afghan*innen schwieriger und die meisten Menschen weiterhin in hohem Masse auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden. Die Isolierung der Zentralbank, das Einfrieren von Auslandsguthaben, die Verhängung von Sanktionen und die Aussetzung der bilateralen Hilfe haben das Land in eine finanzielle und wirtschaftliche Krise gestürzt. Die Ernährungsunsicherheit habe zugenommen: 89 % der afghanischen Haushalte seien weiterhin von einem Mangel an Nahrungsmitteln betroffen. Dass die Taliban weiterhin Regierungsmitarbeiter durch unqualifiziertes Personal ersetzten, untergrabe die ohnehin schwache Regierungsführung. ACPAS geht auch auf die schlechte Menschenrechtsbilanz der Taliban und auf das harte Vorgehen der Taliban gegen Anti-Taliban Gruppen ein.

15.09.2022: Der Afghanistan Experte Thomas Ruttig weist in seinem Blog Zhaghdablai auf die Fortsetzung der repressiven Massnahmen gegen Frauen und Frauenrechte hin. Die neue Anordnung, dass Frauen ohne männliche Begleitung nicht mehr öffentliche Gebäude betreten dürfen, scheint laut Ruttig landesweit umgesetzt zu werden. Andere Massnahmen sowie Übergriffe seien wohl lokaler Natur. Ruttig beschreibt unter anderem, dass in Kandahar Frauen nicht mehr alleine Läden betreten dürfen und in Bamian werden sie nach Hause geschickt, wenn sie nicht ausreichend verschleiert oder zu farbenfroh gekleidet sind. Des Weiteren geht das Taliban Justizministerium davon aus, dass Frauen zu wenig Kenntnis der Scharia haben und deshalb nicht in der Lage seien als Richterinnen tätig zu sein.

15.09.2022: Nach einer neuen Untersuchung zur Tötung von sechs Hazara in der Provinz Ghor macht Amnesty International darauf aufmerksam, dass Taliban im Juni 2022 bei einer nächtlichen Razzia auf der Suche nach einem ehemaligen Sicherheitsbeamten vier Männer festgenommen und unrechtmässig hingerichtet haben. Die Leiche von mindestens einem der Hingerichteten habe Folterspuren aufgewiesen. Auch eine Frau und ein 12-jähriges Mädchen seien bei der Razzia getötet worden. Laut Amnesty International weisen die anhaltende Tötungen durch die Taliban auf ein Muster von Angriffen auf ethnische Minderheiten und Mitglieder der ehemaligen Sicherheitskräfte hin.

06.09.2022:Human Rights Watch berichtet, dass der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (ISKP), der Ableger des Islamischen Staates (ISIS) in Afghanistan, wiederholt Hazara und andere religiöse Minderheiten in ihren Moscheen, Schulen und an ihren Arbeitsplätzen angegriffen hat. Die Taliban-Behörden habe wenig unternommen, um diese Gemeinschaften vor Selbstmordattentaten und anderen Angriffen zu schützen oder den Opfern und ihren Familien die notwendige medizinische Versorgung und sonstige Hilfe zukommen zu lassen. Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August 2021 habe sich der ISKP zu 13 Anschlägen gegen Hazara bekannt und wird mit mindestens drei weiteren in Verbindung gebracht, bei denen mindestens 700 Menschen getötet oder verletzt worden seien.

31.08.2022:Amnesty International dokumentiert in einem ausführlichen Bericht «'They don't treat us like humans.' Unlawful returns of Afghans from Turkey and Iran.», wie Sicherheitskräfte im Iran und in der Türkei mit scharfer Munition auf geflüchtete Afghan*innen schiessen. Dutzende seien in den letzten Monaten auf ihrer Flucht verletzt und getötet worden. Vor allem an der iranisch-afghanischen Grenze hat Amnesty International zahlreiche Fälle aufgedeckt, in denen iranische Sicherheitskräfte direkt auf Geflüchtete gezielt hätten, als diese versuchten die Grenzzäune oder -mauern zu überwinden. Afghan*innen, die versuchen, die Grenze zum Iran oder zur Türkei zu überqueren, seien routinemässig inhaftiert, misshandelt und zurückgedrängt (Pushbacks) oder nach Afghanistan deportiert worden. «Wir fordern die türkischen und iranischen Behörden auf, sofort alle Pushbacks und Abschiebungen von Afghan*innen einzustellen. Folter und andere Misshandlungen müssen umgehend beendet werden und allen afghanischen Staatsangehörigen, die Schutz suchen, muss sicheres Geleit und Zugang zu einem Asylverfahren gewährleistet werden», sagte Marie Forestier, Rechercheexpertin für die Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen bei Amnesty International.

11.08.22: Der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig zieht eine Bilanz nach einem Jahr unter der neuen Taliban-Herrschaft. Der Artikel erschien in der Printausgabe des aussenpolitischen Journals WeltTrends und online auf seinem Blog Afghanistan Zhaghdablai. Laut Ruttig sitzen die Taliban fest im Sattel und herrschen mehr als dass sie regieren. Damit haben sie Hoffnungen – manche sagen: Illusionen – enttäuscht, dass sie nach ihrer Machtübernahme der Bevölkerung mit mehr Toleranz begegnen und zumindest bestimmte Freiheiten tolerieren würden. Schon vorher hatten die Taliban damit begonnen, die bürgerlichen Freiheitsrechte, viele Menschenrechte und insbesondere Frauenrechte erheblich einzuschränken oder ganz abzuschaffen. Die Menschenrechtssituation wird kompliziert durch eine humanitäre und wirtschaftliche Krise. Die Strukturen der seit 2011 entstandenen modernen Zivilgesellschaft, aus deren Reihen eine Opposition erwachsen könnte, brachen im August 2021 weitgehend zusammen. Laut Ruttig bleibt Afghanistan eine von vielen Konflikten politischer, ethnischer, zunehmend auch ökonomischer Natur geprägte Gesellschaft. Die afghanische Gesellschaft ist nach 40 Jahren Krieg extrem fragmentiert und von tiefem Misstrauen geprägt. Das verhindert kollektives Handeln. Auch unter der Vorgängerregierung schaffte es keine Oppositionsbewegung langfristig wirksam zu bleiben.

10.08.22: Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August 2021 ist die Medienlandschaft laut einer Erhebung von Reporter ohne Grenzen um mehr als ein Drittel geschrumpft. 39,6 Prozent aller Medien wurden eingestellt. 59,7 Prozent der Medienschaffenden arbeiten nicht länger in ihrem Beruf. Besonders betroffen sind Journalistinnen: Drei Viertel von ihnen wurden arbeitslos; in elf Provinzen arbeiten gar keine weiblichen Medienschaffenden mehr. Die Taliban haben zahlreiche Gesetze erlassen, die die Pressefreiheit einschränken und die Verfolgung und Einschüchterung von Medien sowie Journalistinnen und Journalisten begünstigen. Dies hat zu einer zunehmenden Zensur und Selbstzensur sowie einer Welle von willkürlichen Festnahmen von Medienschaffenden geführt. Seit dem 15. August 2021 wurden mindestens 80 Journalist*innen für unterschiedlich lange Zeiträume und teils auf sehr brutale Weise festgenommen.

27.07.2022: In einer Medienmitteilung macht Amnesty International auf den neuen Bericht mit dem Titel «Death in Slow Motion: Women and Girls Under Taliban Rule» aufmerksam. Seit der Machtergreifung der Taliban im August 2021 seien die Rechte von Frauen und Mädchen auf Bildung, Arbeit und Freizügigkeit immer stärker eingeschränkt worden. Frauen, die friedlich gegen diese repressiven Regeln protestiert haben, wurden laut AI bedroht, festgenommen, inhaftiert und gefoltert. «Kaum ein Jahr nach der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan berauben deren drakonische Massahmen Millionen Frauen und Mädchen ihrer Rechte auf ein sicheres, freies und erfüllendes Leben», sagt Agnès Callamard, internationale Generalsekretärin von Amnesty International. «In ihrer Gesamtheit stellen diese Massnahmen ein System dar, das Frauen und Mädchen in fast allen Lebensbereichen unterdrückt und diskriminiert. Jeder Aspekt des täglichen Lebens – ob sie zur Schule gehen können, ob und wie sie arbeiten, ob sie das Haus verlassen dürfen – wird kontrolliert und stark eingeschränkt. Diese schonungslose Unterdrückung der weiblichen Bevölkerung Afghanistans verschärft sich Tag für Tag. Die internationale Gemeinschaft muss dringend darauf pochen, dass die Taliban die Rechte von Frauen und Mädchen achten und schützen.»

Recherchen von Amnesty International haben ergeben, dass die Anzahl der Kinderehen, Früh- und Zwangsverheiratungen in Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban immer stärker ansteigen. Zu den wichtigsten Ursachen hierfür zählen die wirtschaftliche und humanitäre Krise, die fehlenden Bildungs- und Berufschancen für Frauen und Mädchen, familiärer Druck zur Heirat mit Taliban-Mitgliedern, und Druck von Taliban-Angehörigen auf Frauen und Mädchen, sie zu heiraten.

21.07.2022: Im Juli publizierte die UNO ihren ersten Bericht zur Menschenrechtslage in Afghanistan seit der Machtübernahme der Taliban. Darin werden 237 Tötungen im Stil von Exekutionen dokumentiert, wie die TAZ berichtet. 160 davon hätten ehemalige Angehörige der Streitkräfte oder des Staatsapparats der Vorgängerregierung betroffen, die übrigen 77 angebliche oder tatsächliche Mitglieder des afghanischen Ablegers des Islamischen Staates oder neuer bewaffneter Anti-Taliban-Gruppen. Dazu kämen mehrere hundert Fälle «willkürlicher Verhaftungen» oder Festhaltens ohne Kontakt zur Aussenwelt, 185 Fälle von Folter und Misshandlung – darunter an Journalist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen, 118 Fälle exzessiver Gewalt durch Taliban-Polizei und 217 Fälle «grausamer, inhumaner oder erniedrigender Bestrafung», meist für Vergehen gegen Taliban-Moralvorstellungen. Die UNO weist darauf hin, dass es sich bei den genannten Fällen um «Anschuldigungen» handle, die sie aufgrund ihrer Quellenlage als glaubwürdig betrachtet.

Insbesondere das Generaldirektorat für Sicherheit (der Taliban-Geheimdienst) und das als «Moralpolizei» bezeichnete «Ministerium für die Förderung der Tugend und die Verhinderung des Lasters» werden für viele Übergriffe verantwortlich gemacht. Die UNO bemerkt, es gäbe einen «Mangel an Klarheit», was den geltenden rechtlichen Rahmen beträfe, und die Taliban liessen diesen «offenbar bewusst vage». Die UNO verweist auch darauf, dass die Menschenrechtslage «von der landesweiten Wirtschafts-, Finanz- und humanitären Krise beispiellosen Ausmasses» verschärft werde.

02.07.2022: Die erste grosse Versammlung der in Afghanistan regierenden Taliban sei ohne nennenswerte Fortschritte bei Frauenrechten oder der politischen Teilhabe zu Ende gegangen, so berichtet SRF. Dazu beriefen die Taliban laut der taz vom 30. Juni bis am 2. Juli fast 5000 höhere Geistliche, Stammesälteste und Geschäftsleute aus dem ganzen Land ein – alles Männer. Sie seien von den Taliban-Verwaltungen in den Provinzen und Distrikten ausgewählt worden. Taliban-Chef Haibatullah Achundsada soll per Hubschrauber eingeflogen worden sein. Bei seiner Ankunft hätten die Anwesenden durch Handheben ihren Gefolgschaftseid für ihn erneuert, den Amir-ul-Momenin, «Oberhaupt der Gläubigen» und des Islamischen Emirats der Taliban. In der Abschlusserklärung vom Samstag sei es massgeblich um die Anerkennung der Taliban-Regierung gegangen, sowie darum, Ergebenheit gegenüber dem obersten Führer Achundsada zu demonstrieren. Zudem sei die internationale Gemeinschaft aufgerufen worden, die Taliban-Regierung anzuerkennen und eingefrorene Konten mit Staatsgeldern freizugeben. Achundsada habe verkündete, das Gesetz Gottes in Afghanistan durchsetzen zu wollen, selbst wenn die Welt mit einer Atombombe gegen die Taliban vorginge. Bislang hat kein Land das Taliban-Regime anerkannt.

22.06.2022: Ein schweres Doppelerdbeben erschüttert den Südosten Afghanistans. Afghanistan-Experte Thomas Ruttig kommentiert das Ereignis in der taz folgendermassen: «Als ob das repressive Regime der Taliban, die durch westliche Sanktionen angeheizte Wirtschaftskrise und neue Terroranschlägen des ‹Islamischen Staates› nicht genug wären: Nun erschwert auch noch eine schwere Naturkatastrophe die Lage der Menschen in Afghanistan.» Nach Angaben des Taliban-Vizeministers für Katastrophenschutz, Scharafuddin Muslim, kamen mindestens 920 Menschen ums Leben, weitere 600 wurden verletzt. Andere Behörden sprachen von mindestens 1’000 Todesopfern. Ein ehemaliger afghanischer UN-Mitarbeiter, den die taz in der betroffenen Provinz erreichte, berichtete: «Die Zahl der Opfer nimmt jede Minute zu. Viele Häuser sind zerstört. Taliban-Hubschrauber des Verteidigungsministeriums sind angekommen, aber die Rettungsmassnahmen laufen nur langsam an.»   

08.06.2022: Journalist*innen der Washington Post erhielten die Bewilligung der Taliban in der Provinz Panjshir zu reisen und berichten in ihrem Artikel über die andauernden Kämpfe zwischen den Taliban und oppositionellen Gruppierungen. Taliban-Vertreter würden leugnen, dass es im Panjshir-Tal zu Gewalt komme, obwohl Tausende von Truppen der Taliban im ganzen Tal zu sehen seien. Anwohner*innen berichten, dass Angriffe auf Taliban-Stellungen an der Tagesordnung seien, Dutzende von Menschen seien getötet und Zivilpersonen seien bei umfangreichen Verhaftungen inhaftiert worden. Die Zusammenstösse in Panjshir stellten keine unmittelbare Bedrohung für die Kontrolle der Taliban über die Provinz oder das ganze Land dar, doch der gewaltsame Widerstand in Panjshir untergrabe wichtige Aussagen, mit denen sich die Taliban legitimieren würden: Ihre Herrschaft habe Afghanistan Frieden gebracht und ihre Kämpfer seien in der Lage, die Sicherheit aufrechtzuerhalten.

22.05.2022: Eine neue Regel der Taliban schreibt TV-Journalistinnen in Afghanistan vor, nur noch mit verschleiertem Gesicht vor die Kameras zu treten. So werde laut ZDF der afghanische Sender Tolonews gezwungen, alle Journalistinnen zu versetzen oder zu entlassen, die wie bisher üblich nur mit Kopftuch auftreten. «Wir waren daraufhin gezwungen, Mund und Nase zu bedecken», sagte Moderatorin Sonja Niasi. Aus Solidarität mit den Moderatorinnen trugen männliche Journalisten und Mitarbeiter von Tolonews in den Büros ebenfalls Gesichtsmasken, wie ein AFP-Korrespondent berichtete.

19.05.2022: In Afghanistan ist die unabhängige Menschenrechtskommission (AIHRC) von den Taliban aufgelöst worden. Sie werde «nicht als notwendig erachtet», sagte der stellvertretende Regierungssprecher Inamullah Samangani der Nachrichtenagentur AFP. «Wir haben einige andere Organisationen für Aktivitäten im Zusammenhang mit den Menschenrechten.» Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, sprach von einem «schweren Rückschritt» für die afghanische Zivilgesellschaft.

09.05.2022: Als nächsten Schritt auf ihrem Weg, die volle Kontrolle über die afghanische Gesellschaft zu übernehmen, haben Afghanistans Taliban am 7. Mai 2022 angeordnet, dass sich ab sofort alle Frauen (ausser Kinder und Alte) in der Öffentlichkeit verschleiern müssen, so berichtet SRF. Auch Afghanistan-Experte Thomas Ruttig kommentiert auf seinem Blog den «Burka-Erlass». Die Direktive enthalte Strafen für Nichtbefolgung, die sich auch auf Familienangehörige erstrecken könnten. Die New York Times verweist darauf, dass laut dem «Moral-Ministerium», welches die Direktive erarbeitete, die Burka das am besten dafür geeignete Kleidungsstück sei. Aber auch andere Formen des Hidschabs seien akzeptabel, so lange sie Gesicht, Haar und Körper bedeckten sowie «intransparent und weit» genug seien, um die Konturen des Körpers zu verbergen.

Tolonews berichtet, dass gemäss einem Sprecher des «Moral-Ministeriums» bei einer Frau, die keinen Hidschab trage, zuerst ihr Wohnort gesucht und ihr Vormund (Vater, Bruder oder Ehemann) informiert sowie gewarnt werde. Im Wiederholungsfall würde der Vormund für drei Tage inhaftiert. Falls der Hidschab weiterhin nicht getragen werde, müsste sich dieser zur weiteren Bestrafung vor Gericht stellen.

03.05.2022: Laut Alarabiya News haben Taliban-Beamte in Herat Fahrlehrer angewiesen, keine Führerscheine mehr an Frauen auszustellen und Frauen keinen Fahrunterricht mehr  zu geben. Eine junge Fahrlehrerin, die ein Ausbildungsinstitut betreibt, sagte gegenüber AFP, dass die Taliban sicherstellen wollten, dass die nächste Generation Frauen nicht die gleichen Chancen wie ihre Mütter hätte. Wie bei anderen Erlassen auch hätten die Taliban diese Anweisungen mündlich gegeben.

12.04.2022: Eine Untersuchung von «Opinion Video» der New York Times mit dem Titel «The Taliban Promised Them Amnesty. Then They Executed Them»zeigt, dass die Taliban einen Rachefeldzug gegen ehemalige Verbündete der USA und der afghanischen Regierung geführt haben, obwohl sie eine Generalamnestie für ehemalige Regierungsmitarbeitende und Mitglieder der Sicherheitskräfte verkündet hatten. Für einige schrieben sie sogar Garantieerklärungen, dass sich die Taliban nicht an ihnen rächen würden. Im Video der NY-Times, das auf einer siebenmonatigen Untersuchung beruht, wird jedoch gezeigt, dass in den ersten sechs Monaten der Taliban-Herrschaft fast 500 ehemalige Regierungsangestellte und Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte getötet wurden oder gewaltsam verschwunden sind. Alleine in der Provinz Baghlan verifizierte das Team von «Opinion Video» 86 Tötungen und in der Provinz Kandahar wurden 114 vermisste Personen identifiziert. Laut «Opinion Video» seien Rachemorde weit verbreitet und beträfen alle Regionen des Landes. Die gezeigten Bilder sind zutiefst verstörend. Aber sie verdeutlichen die Gefahren, denen vermeintliche «Kritiker*innen und Gegner*innen» der Taliban immer noch ausgesetzt sind.

04.04.2022: Die Deutsche Welle berichtet wie die Taliban ihre harte Linie auch in der Medienpolitik durchsetzen würde. Die Machtübernahme der Taliban habe für inländische Medien einschneidende Konsequenzen. Laut «Reporter ohne Grenzen» sahen sich allein in den ersten vier Monaten der Taliban-Herrschaft 230 Medienunternehmen gezwungen zu schliessen – gut 6400 Journalist*innen hätten ihre Arbeit verloren. Dies gehe allerdings nicht allein auf die restriktive Politik der Taliban zurück, sondern auch auf mangelnde Finanzierung, sagt Thomas Ruttig, Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network. Laut den Vorgaben der Taliban sollten Journalisten «nationale Interessen, islamische Werte und die nationale Einheit» berücksichtigen. Zusätzliche unklare Richtlinien führten zu Selbstzensur. In einigen Provinzen hätten Taliban erklärt, dass Frauen für Radiosender arbeiten dürften. Erklinge aber eine weibliche Stimme im Programm, würden die Sendungen laut «Reporter ohne Grenzen» unterbrochen.

28.03.2022: Wie die Zeit und andere Medien berichten, schränken die Taliban die Rechte afghanischer Frauen weiter ein. Nun dürften sie nicht mehr alleine an Bord eines Flugzeugs und Reisebüros stellten ihnen keine Tickets mehr aus. Laut Mitarbeitenden der afghanischen Airlines Ariana Afghan und Kam Air seien diese angewiesen worden, allein reisende Frauen nicht mehr an Bord zu lassen. Frauen dürften nur noch in Begleitung eines männlichen Bekannten ein Flugzeug besteigen. Zwei Reisebüros bestätigten gegenüber AFP, dass sie keine Tickets mehr für allein reisende Frauen ausstellen sollten.

28.03.2022: Quellen berichten gegenüber Reuters, dass die Taliban alle Regierungsangestellten angewiesen hätten, einen Bart zu tragen und sich an die Kleiderordnung zu halten. Andernfalls drohe ihnen die Entlassung. Es würden Vertreter des Ministeriums für die Verbreitung von Tugend und zur Verhinderung von Lastern an den Eingängen der Regierungsbüros patrouillieren, um zu überprüfen, ob sich die Angestellten an die neuen Regeln hielten.

23.03.2022: Die Taliban hätten kurzfristig ihre frühere Zusage, dass Schülerinnen ab siebter Klasse wieder zum Unterricht gehen dürfen, zurückgezogen, so berichtet die TAZ. In letzter Minute sei die für Mittwoch angekündigte landesweite Wiedereröffnung der Sekundärschulen und Gymnasien für Mädchen gestoppt worden – Gründe dafür blieben unklar.  

16.03.2022: Verschiedene Medien, wie die Huffington Post oder die Deutsche Welle berichten, dass die Taliban in den letzten Wochen in Kabul und in anderen afghanischen Städten eine Kampagne von Hausdurchsuchungen eingeleitet haben. Ein Taliban-Sprecher bezeichnet diese als «Säuberungsaktion», um nach Waffen und Kriminellen zu suchen. Tausende von Afghan*innen befürchten jedoch, dass sie aufgrund ihrer Verbindungen zur früheren Regierung oder zu den internationalen Truppen verfolgt werden. Beobachter*innen gehen davon aus, dass die Taliban es ausgenutzt hätten, dass die Aufmerksamkeit der Welt auf die Ukraine gerichtet ist. Die Taliban hätten nun mit Massendurchsuchungen begonnen und Menschen würden entführt.

07.03.2022: Die Taliban üben laut einer Untersuchung von Human Rights Watch weitreichende Zensur und Gewalt gegen afghanische Medien in den Distrikt- und Provinzzentren aus und schränken die kritische Berichterstattung in Afghanistan drastisch ein. Journalist*innen berichten, dass sie von Taliban bedroht, festgehalten und verprügelt wurden. Viele Journalisten sehen sich gezwungen, sich selbst zu zensieren und nur über Erklärungen der Taliban und offizielle Ereignisse zu berichten. Journalistinnen waren den stärksten Repressionen ausgesetzt. Laut Fereshta Abbasi, Afghanistan-Forscherin bei Human Rights Watch, seien die Schikanen und Angriffe der Taliban auf Journalisten ausserhalb der grossen städtischen Gebiete weitgehend unbemerkt geblieben, was die Medien in den abgelegenen Provinzen dazu veranlasst habe, sich selbst zu zensieren oder ganz zu schliessen.

28.2.2022: Die Deutsche Welle berichtet wie Menschen mit Einschränkungen besonders unter der aktuellen Versorgungsnot in Afghanistan leiden. Die Arbeit nationaler wie auch internationaler Organisationen für Menschen mit Einschränkungen werde weiter von den Taliban behindert. Besonders unter Druck gerieten junge Frauen und Mädchen. Afghanistan habe eine der höchsten Raten von Menschen mit Einschränkungen weltweit. Einer Studie der Asia Foundation zufolge lebten 2020 in dem Land 80 Prozent der Erwachsenen und 17,3 Prozent der Kinder mit irgendeiner Form von Einschränkung. Mehr als 40 Jahre Krieg hätten mehr als eine Million Afghan*innen mit amputierten Gliedmaßen und anderen Mobilitäts-, Seh- oder Hörbeschränkungen zurückgelassen.

15.02.2022: Der Alltag in Afghanistan ist sechs Monate nach der Machtübernahme der Taliban geprägt durch Wirtschaftskrise, Dürre und Menschenrechtsverletzungen. Afghanistan-Experte Thomas Ruttig erörtert in einem Interview mit der tagesschau die Gründe, warum die Taliban die Krisen bisher nicht in den Griff bekommen haben.

11.02.2022: UNHCR veröffentlicht die Position zur internationalen Schutzbedürftigkeit für Menschen, die aus Afghanistan fliehen. Basierend auf verfügbaren Berichten über Menschenrechtsverletzungen zeigt sich die Organisation besorgt, dass die jüngsten Entwicklungen in Afghanistan zu einem erhöhten Schutzbedarf für Geflüchtete aus Afghanistan führen. Insbesondere betroffen seien Personen, die aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Religion, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer beruflichen Tätigkeit das Land verlassen hätten. Auch deren Angehörige seien besonders gefährdet.

UNHCR fordert Staaten, die afghanische Geflüchtete aufgenommen haben, weiterhin dazu auf, die Verfahren zur Familienzusammenführung für zurückgeblieben Angehörige in Afghanistan oder für in der Region Vertriebene, zu erleichtern und zu beschleunigen. Zwangsweisen Rückführungen nach Afghanistan sollen weiterhin ausgesetzt werden.

09.02.2022: Eine Sprecherin der Uno bestätigt der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, dass eine Delegation der Taliban nach Genf gereist sei. Die NZZ berichtet von der Teilnahme der Taliban an einer Konferenz, die sich mit der humanitären Hilfe für Afghanistan befasse. Organisiert habe diese die NGO Geneva Call, die seit Jahren in Afghanistan aktiv sei. In Genf seien auch Gespräche mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) geplant.

09.02.2022: Der afghanische Musikjournalist Hamid Ehsan berichtet in BR Klassik wie Musikschaffende in Afghanistan seit der Machtübernahme ums Überleben kämpfen müssten. Die Taliban hätten jegliche Musik verboten, Tonstudios seien verwüstet und Instrumente verbrannt worden. Musiker*innen müssten seither um ihr Leben fürchten.

26.01.2022: Das Afghanistan Analysts Network analysiert den Zugang zu Schulbildung seit der Machtübernahme der Taliban und vergleicht den Zugang zu Bildung vor und nach deren Machtübernahme. Das AAN stellt anhand von Interviews in 40 Distrikten unter anderen folgende Tendenzen fest:

  • wo es Schulen gab, berichteten die meisten Befragten, dass Jungen bis zur 12. Klasse und Mädchen bis zur 6. Klasse in die Schule gehen könnten;
  • wo es bereits vorher kaum Bildungsangebote gab, oder diese nur begrenzt auf untere Klassen oder für Jungen waren, hat sich dies nicht geändert;
  • in einigen Bereichen hat sich die Bildungsqualität verschlechtert, wobei weniger Klassen angeboten werden oder Lehrer nicht zur Arbeit kommen;
  • in grossen Teilen des Nordens blieben Schulen, einschliesslich Sekundarschulen für Mädchen, offen oder wurden schnell wiedereröffnet, obwohl in einigen Regionen Probleme mit Qualität und/oder Anwesenheit auftreten.

26.01.2022: Human Rights Watch beschreibt in einem neuen Bericht die zunehmend verzweifelte Lage der LGBTI (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender sowie Menschen, die nicht den starren Geschlechternormen entsprechen) in Afghanistan. Unter der Taliban-Herrschaft seien sie schwerwiegenden Bedrohungen für ihre Sicherheit und ihr Leben ausgesetzt. Der Bericht basiert auf 60 Interviews mit Betroffenen. Viele berichten, dass Taliban-Mitglieder sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität angegriffen oder bedroht hätten. Andere vermelden Missbräuche durch Familienangehörige, Nachbarn und Liebespartner, die nun die Taliban unterstützten oder glaubten, gegen die ihnen nahestehenden LGBTI-Personen vorgehen zu müssen, um ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten.

25.01.2022: Die Deutsche Welle berichtet über die Gespräche zwischen westlichen Diplomat*innen und den Taliban in Oslo von anfangs dieser Woche. Die norwegischen Behörden hätten erklärt, die internationalen Gespräche mit den Taliban seien nicht gleichbedeutend mit deren Legitimierung. Insbesondere afghanische Menschenrechtsaktivist*innen seien aber damit nicht einverstanden. Diese kritisierten die Entscheidung Norwegens, Gespräche mit den Taliban aufzunehmen. Die Taliban selbst sehen die Gespräche als einen «Schritt zur Legitimierung der afghanischen Regierung», so ein Taliban-Sprecher.

Die Deutsche Welle spricht von einem Dilemma für die westlichen Regierungen: Einerseits würden diese den Taliban Menschenrechtsverletzungen vorwerfen, andererseits erfordere die noch nie dagewesene humanitäre Krise eine Zusammenarbeit mit der islamisch-fundamentalistischen Gruppe. Anfang Januar veröffentlichten die Vereinten Nationen den bisher grössten Appell zur humanitären Hilfe für ein einzelnes Land und erklärten, sie benötigten 4,4 Milliarden Dollar (3,9 Milliarden Euro) für Afghanistan, um eine weitere Verschärfung der «weltweit am schnellsten wachsenden humanitären Krise» zu verhindern.

17.1.2022 : Das Afghanistan Analysts Network (ANN) beschreibt die tödlichen Angriffe auf die schiitische Hazara-Gemeinschaft im Westen Kabuls, insbesondere im Viertel Dasht-e Barchi. Auch nach der Machtübernahme der Taliban bleibt das Viertel Schauplatz von Attentaten und Bombenanschlägen gegen schiitische Hazara. AAN spricht von einem neuen Zyklus von Attentaten, welcher die Angst der Bevölkerung verstärkt hat. Einige haben beschlossen, Kabul zu verlassen und in ländliche Gebiete zu ziehen, andere getrauen sich nicht mehr aus dem Haus.

16.01.2022: Laut AFP seien die Taliban in Kabul bei einer Demonstration für das Recht auf Arbeit und Bildung für Frauen gegen mehrere der rund zwanzig Teilnehmerinnen mit Pfefferspray vorgegangen. Der AFP-Korrespondent habe zudem beobachtet, wie die Taliban das Mobiltelefon eines Mannes beschlagnahmten, während dieser die Demonstration filmte.

Ungenehmigte Proteste seien in Afghanistan seit der Machtübernahme im August verboten. Kundgebungen würden häufig aufgelöst.

14.01.2022: Afghanistan-Experte Thomas Ruttig publiziert auf seinem Blog einen Artikel zu ersten Spannungen der Taliban mit Tadschikistan, Usbekistan und dem Iran. Auch das Verhältnis mit dem regionalen Taliban-Unterstützer Pakistan sei nicht ungetrübt. Die Taliban hätten Anfang Januar Grenzzäune niedergerissen, die ihrer Ansicht nach von den Pakistani auf afghanischem Gebiet errichtet worden seien. Zudem sei es seit Dezember auf der 2640 Kilometer langen, von Afghanistan nicht anerkannten und unmarkierten Grenze zu Pakistan an mehreren Abschnitten zu Schiessereien gekommen.

10.01.2022: Das European Asylum Support Office (EASO) hat gestern einen Bericht mit Informationen zu Afghanistan veröffentlicht. Darin geht es um die Entwicklungen seit der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021. Thematisiert wird unter anderem die Bildung der Übergangsregierung und die Unsicherheit der Bevölkerung in Bezug auf die je nach Provinz unterschiedliche Umsetzung neu erlassener Dekrete oder lokal verordneter Regeln. EASO geht auch auf die Lage spezifisch gefährdeter Gruppen ein, wie beispielsweise Frauen, Medienschaffende, ehemalige Angehörige der afghanischen Streitkräfte sowie auf die ethnische Minderheit der Hazara. Ebenfalls angesprochen wird Gewalt im Zusammenhang mit Widerstand gegen die Taliban und die Verschlechterung der humanitären Situation der gesamten Bevölkerung. 

08.01.2022Die Zeit berichtet, dass die Taliban Faisullah Dschalal, Professor der Universität Kabul, festgenommen haben. Dschalal habe sich zuvor mit öffentlicher Kritik am Regime landesweit einen Namen gemacht, indem er in einer TV-Debatte anprangerte, dass die Taliban ihre Kritiker*innen unterdrückten. Dschalal bezeichnete den Taliban-Sprecher, der ebenfalls an der Debatte teilnahm, als «Kalb». Dies sei in Afghanistan eine schwere Beleidigung.

Die Festnahme Daschalals sei von seiner Frau wie auch von den Taliban selbst auf den sozialen Medien bestätigt worden.

07.01.2022: Laut dem Guardian sei es Frauen in den Provinzen Balkh und Herat verboten worden, öffentliche Badehäuser zu besuchen. Die Nutzung solcher Badehäuser oder Hammams sei eine alte Tradition, die für viele Menschen die einzige Möglichkeit darstelle, sich in den bitterkalten Wintern warm zu waschen. Frauen, welche die Badehäuser regelmässig für die nach islamischem Recht vorgeschriebene rituelle Reinigung nutzten, sähen in diesem Verbot ein weiteres Beispiel dafür, dass die Taliban ihre Grundrechte verletzten. Sie befürchteten, dass das Verbot auf andere Teile des Landes ausgeweitet werden könnte.

04.01.2022: Laut der Frankfurter Allgemeinen haben die Taliban Modegeschäfte im Westen des Landes aufgefordert, Schaufensterpuppen zu köpfen. Diese seien Götzenbilder und somit unislamisch, sagte Asisul Rahman, ein Provinzvertreter des Ministeriums zur Erhaltung der Tugend. Die Puppen «müssen beseitigt werden», erklärte er. Zunächst solle es jedoch genügen, dass die Schaufensterpuppen enthauptet würden.

26.12.2021: Laut einer neuen Anordnung aus dem Ministerium zur Förderung der Tugend und zur Verhinderung von Lastern dürften Frauen auf längeren Wegen nur noch in Begleitung eines engen männlichen Verwandten befördert werden, so berichtet die Deutsche Welle. Sie müssten zudem einen Hidschab tragen, sonst wäre es verboten sie überhaupt mitzunehmen. Wie genau der Hidschab aussehen soll, gehe aus der Anordnung nicht genau hervor. Die Taliban verstehen darunter in der Regel einen Umhang von Kopf bis Fuss. In der neuen Anordnung würden die Menschen zudem aufgefordert, in ihren Fahrzeugen keine Musik mehr zu hören und Pausen zum Gebet einzulegen.

25.12.2021: Die Deutsche Welle berichtet, dass die Taliban die Unabhängige Wahlkommission (IEC) und die Kommission für Wahlbeschwerden aufgelöst habe. Es gebe keinen Bedarf für diese Gremien, soll ein Sprecher der Taliban-Regierung in Kabul erklärt haben. Nach seinen Angaben seien kürzlich ausserdem die Ministerien für Frieden und für Parlamentsangelegenheiten abgeschafft worden.

22.12.2021: Das European Council on Refugees and Exiles (ECRE) publiziert eine Zusammenstellung von Informationen zu Evakuierungsprogrammen, Schutzmöglichkeiten und Zugang zu Asyl in Europa für Afghan*innen seit August 2021. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) ist Mitglied von ECRE und hat länderspezifische Informationen zur Schweiz an den Bericht beigesteuert. Zusätzlich veröffentlicht ECRE eine Policy Note, in der die Praktiken und politischen Reaktionen der europäischen Länder auf die Situation in Afghanistan analysiert werden. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Zugang zu Schutz in Europa, Evakuierungen, Resettlement und sicheren Wegen nach Europa.

21.12.2021: In der Zeit beschreibt eine afghanische Journalistin, die noch in Afghanistan lebt, wie Frauen in Afghanistan ihrem Schicksal überlassen worden sind. Als die Taliban in die Bamyian-Provinz kamen, mussten Frauenhäuser schliessen. Frauen, die Opfer extremer familiärer und sozialer Gewalt geworden sind hatten zuvor dort Unterschlupf gefunden. Die meisten von ihnen waren schon vor dem Einmarsch der Taliban in sehr schlechter psychischer Verfassung. Als die Taliban die Provinz einnahmen, seien nur ein paar Stunden geblieben, um Verwandte der Frauen zu finden, die vertrauenswürdig genug waren, dass man sie guten Gewissens um die Aufnahme der Frauen bitten konnte. Für die meisten aber fand sich kein sicherer Ort. Bewohnerinnen kehrten zu ihren gewalttätigen Ehemännern zurück – oder gelten als vermisst.

15.12.2021: In einem neuen Bericht beschreibt Amnesty International, wie im Kampf um die Vorherrschaft in Afghanistan im ersten Halbjahr 2021 Tausende Zivilist*innen getötet wurden. Die Taliban verübten vor dem Fall Kabuls diverse Kriegsverbrechen, doch auch das US-Militär und die afghanischen Streitkräfte waren für Angriffe verantwortlich, die zu grossem Leid unter der Zivilbevölkerung führten. Der Bericht No Escape:War Crimes and Civilian Harm During The Fall Of Afghanistan To The Taliban dokumentiert Folter, aussergerichtliche Hinrichtungen und Tötungen durch die Taliban vor dem Sturz der Regierung im August 2021. Die Menschenrechtsorganisation zeigt ausserdem auf, dass auch Boden- und Luftoperationen der afghanischen Streit- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces ANDSF) und des US-Militärs zahlreiche zivile Opfer forderten.

13.12.2021: EU-Innenkommissarin Ylva Johansson gibt bekannt, dass sich 15 EU-Mitgliedstaaten bereit erklärt haben, rund 40'000 Afghan*innen Schutz zu gewähren.

  • Die SFH begrüsst diesen Entscheid und fordert in einer Medienmitteilung, dass auch die Schweiz sich daran beteiligt und ein zusätzliches Kontingent an Resettlement-Plätzen zur Verfügung stellt

13.12.2021: Im Rahmen eines neuen Forschungsprojektes unter dem Titel «Leben in einer kollabierten Wirtschaft» zeigt das Afghanistan Analysts Network (AAN) in einem ersten Teil, wie die Situation in den Haushalten einzelner Menschen in fünf verschiedenen Provinzen aussieht: Einer grossen städtischen Mittelschichtsfamilie, eines landlosen Arbeiters in einer abgelegenen und armen Gegend, eines kleinen Händlers mit Garten, eines Besitzers einer kleinen Fabrik und eines ehemaligen Arbeiters in einem der Golfstaaten.

Für viele der Familien, mit denen AAN sprachen, sei die wirtschaftliche Lage bereits vor dem jüngsten Wirtschaftseinbruch prekär gewesen. Die meisten befänden sich in einer praktisch geldlosen Privatwirtschaft. Da sie kein oder nur ein sehr geringes Einkommen hätten, werden Einkäufe von Nahrungsmitteln, wann immer möglich, auf Kredit getätigt. Geld für unvermeidliche Ausgaben wie Lebensmittel und Brennholz für den Winter sowie dringende medizinische Behandlungen versuchten sie auszuleihen. Angesichts der gestiegenen Preise und des fehlenden Einkommens wüssten die meisten von ihnen nicht, wie sie ihre Kredite zurückzahlen sollen. Die Interviews zeigen auch, dass Krankheiten oft enorme finanzielle Folgen haben. Was in den Gesprächen besonders auffällt, ist der fast vollständige Mangel an Optionen, selbst für diejenigen, denen es in der Vergangenheit relativ gut ging.

Das Gesamtbild vermittelt eine düstere Mischung aus Widerstandsfähigkeit, Entschlossenheit und Erschöpfung. Die Menschen hoffen, ihre Kinder vor Schaden zu bewahren und ihre Zukunft zu sichern. Sie kümmern sich weiterhin um andere, denen es noch schlechter geht. Viele von ihnen wirken erschöpft und fassungslos angesichts des ständigen Ansturms von Krisen und Tragödien, die sich gegenseitig verstärken. Eine der befragten Personen bemerkte fast beiläufig: «Jede Familie sollte bedenken, dass eines Tages jemand sterben könnte. Man muss Geld für den Sarg, die Beerdigung und die Trauerfeierlichkeiten haben.»

08.12.2021: In einem kurzen Videobeitrag zeigt die Deutsche Welle, wie Afghan*innen mit Hilfe von Schleppern versuchen in den Iran zu gelangen. Täglich sollen um 5000 Menschen die Grenze überqueren. Die Reise ist gefährlich, viele werden vom Iran wieder nach Afghanistan deportiert.

03.12.2021: Laut dem Spiegel haben die Taliban ein neues Dekret zu Frauenrechten veröffentlicht. Laut diesem sei es verboten, unverheiratete Frauen oder Witwen zur Heirat zu zwingen. «Damit werden die Islamisten aber längst nicht zu Feministen», so der Spiegel, denn die Taliban hätten seit der Machtübernahme im August die Rechte der Frauen wieder deutlich eingeschränkt. So könnten viele Frauen ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen, den Mädchen wurde der Zugang zu weiterführenden Schulen verweigert und Proteste von Aktivistinnen seien gewaltsam unterdrückt worden. Seit November dürften zudem keine Filme oder Serien mehr gezeigt werden, in denen Frauen eine Rolle spielten. All diese Punkte würden im neuen Dekret nicht angesprochen.

02.12.2021: SRF berichtet, dass der UNO-Beglaubigungsausschuss die Akkreditierung der Vertreter der Taliban als UNO-Botschafter ablehnt. Die Vertreter der Vorgängerregierung von Ashraf Ghani würden weiterhin ihre Position behalten. Eine Anerkennung wäre für die Taliban wichtig gewesen, da in der Folge viele Länder die Taliban als rechtmässige Vertreter Afghanistans akzeptiert hätten. Das Nein macht eine internationale Anerkennung schwierig.

01.12.2021UNHCR äussert sich zutiefst beunruhigt über die zunehmenden Gefahren für Afghan*innen, die versuchen, in die Nachbarländer zu fliehen. Die Grenzen zu Pakistan und Iran sind für Afghan*innen, die nicht über die notwendigen Dokumente verfügen, geschlossen. Die Grenzen zu Tadschikistan und Usbekistan sind vollständig geschlossen. Viele Afghan*innen, die in den Iran eingereist sind, berichten, dass sie die Hilfe von Schmugglern in Anspruch genommen haben und grossen Risiken ausgesetzt waren. Zudem wurden seit August aus Pakistan, Iran und Tadschikistan vermehrt Afghan*innen abgeschoben. UNHCR fordert alle Länder dazu auf, ihre Grenzen für Menschen, die internationalen Schutz benötigen, offen zu halten.

30.11.2021: Laut Human Rights Watch (HRW) haben die Taliban seit der Machtübernahme in Afghanistan trotz einer verkündeten Amnestie allein in vier Provinzen mehr als 100 ehemalige Polizei- und Geheimdienstbeamte standrechtlich hingerichtet oder gewaltsam verschwinden lassen. HRW dokumentiert im Bericht «No Forgiveness for People Like You, Executions and Enforced Disappearances in Afghanistan under the Taliban» die Tötungen oder das Verschwinden von 47 ehemaligen Angehörigen der afghanischen Nationalen Sicherheitskräfte - Militär, Polizei, Geheimdienst und Miliz - die sich zwischen dem 15. August und dem 31. Oktober 2021 den Taliban ergeben hatten oder von ihnen aufgegriffen worden waren. Human Rights Watch sammelte verlässliche Informationen zu mehr als 100 Tötungen allein in den Provinzen Ghazni, Helmand, Kandahar und Kunduz.

28.11.2021: SRF berichtet, dass sich der amtierende Taliban-Regierungschef Mullah Mohammed Hassan Achund am 27. November in einer Audiobotschaft erstmals an die Menschen Afghanistans wandte. Darin habe er betont, dass die Taliban ihre Versprechen erfüllt hätten, indem sie ihren Kampf gegen ausländische Kräfte bis zur Einsetzung einer islamischen Regierung und der Stabilisierung des Landes fortsetzten. Er behauptete, Hungersnöte, Arbeitslosigkeit und Preissteigerungen seien bereits vor der Machtübernahme durch die Taliban ein Problem gewesen. Seiner Ansicht nach könnte die Wirtschaftskrise gelöst werden, wenn rund neun Milliarden Dollar der afghanischen Zentralbankreserven, die seit der Machtübernahme der Taliban blockiert sind, freigegeben würden.

22.11.2021: Gemäss dem Einsatzleitenden des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK), der eben einen sechstägigen Besuch in Afghanistan abgeschlossen hat, ist die Situation im Land katastrophal und verschlechtert sich fortlaufend. Das IKRK beurteilt die aktuelle Situation als umso tragischer, als dass diese vermieden werden könnte, wenn sich die internationale Gemeinschaft dazu entschliessen würde, sich vor Ort zu engagieren und humanitäre Hilfe zu leisten. Dies, um einen Zusammenbruch der Grundversorgung, z.B. im Bereich Gesundheit und Bildung, zu vermeiden. Die wirtschaftlichen Sanktionen, welche sich gegen die Taliban richten, haben negative Auswirkungen auf Millionen von Afghaninnen und Afghanen, indem deren Zugang zu Gütern des täglichen Bedarfs eingeschränkt wird. Schon bevor der Winter beginnt, sieht sich das Land einer schweren Ernährungskrise gegenüber. Die allgemeine Situation der Mangelernährung wird zusätzlich verschärft durch eine Dürre, schlechte Ernten und den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes. Die Kinder leiden dabei am meisten unter der aktuellen Situation.

Gemäss einer Meldung der BBC hat die Taliban-Regierung eine Reihe von Weisungen an die afghanischen Fernsehsender erlassen. Konkret bestehen diese aus acht neuen Vorgaben, darunter dem Verbot für Frauen, in Fernsehserien mitzuspielen, aber auch der Vorgabe an Journalistinnen und Moderatorinnen, bei Bildschirmauftritten ein Kopftuch zu tragen. Gemäss dem Mitglied einer Organisation, welche die Interessen der afghanischen Journalisten vertritt, werden diese neuen Vorgaben die Arbeit der Journalisten weiter erschweren, ausserdem könnte es sein, dass verschiedene Radiokanäle ihre Tätigkeit einstellen müssen, wie die BBC weiter ausführt.

12.11.2021: UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore ist beunruhigt über Berichte, wonach die Zahl der Verheiratungen von minderjährigen Mädchen in Afghanistan gestiegen seien. UNICEF schätzt, dass 28 Prozent der afghanischen Frauen zwischen 15 und 49 Jahren vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet wurden. Die Situation der afghanischen Familien habe sich aufgrund der Wirtschaftskrise, der Pandemie und des Wintereinbruchs dramatisch verschlechtert. Einige der ärmsten Familien seien so verzweifelt, dass sie ihre Kinder arbeiten liessen oder ihre Töchter schon in sehr jungen Jahren verheirateten. Das von den Taliban eingeführte Schulverbot für Mädchen verschlimmere die Situation zunehmend und erhöhe das Risiko der Frühehen, so UNICEF.

10.11.2021: Der Afghanistan Experte Thomas Ruttig erläutert auf seinem Blog «Afghanistan Zhaghdablai – Thomas Ruttig über Afghanistan» die Frage, ob die Taliban Schulbildung für Mädchen verboten haben. Er erklärt, dass dies insgesamt verneint werden könne. Die Taliban hätten diesbezüglich noch keine offiziellen politischen Richtlinien veröffentlicht, es gebe jedoch widersprüchliche Aussagen einzelner Talibanvertreter. Taliban-Machthaber in verschiedenen Provinzen hätten diese unterschiedlich interpretiert; in manchen, aber nicht allen Provinzen als implizites Verbot.

09.11.2021: Reuters berichtet über die Zunahme von Anschlägen und Übergriffen durch den Islamischen Staat (IS) in Afghanistan. Die Gewalt des IS mache den Behauptungen der Taliban über ein sichereres Land einen Strich durch die Rechnung. Viele gezielte Tötungen blieben ungeklärt. Einige könnten das Ergebnis lokaler Rachefeldzüge sein. Andere wiederum resultieren aus dem zunehmend offenen Konflikt zwischen den Taliban und dem lokalen Ableger des IS. Der IS habe sich in den letzten Monaten zu einigen der tödlichsten Anschlägen in Afghanistan bekannt, bei denen Hunderte von Menschen, vor allem in Grossstädten, getötet wurden. Die Gewalt nährt die Befürchtungen, dass Afghanistan zunehmend im Chaos versinken und sogar in eine neue Phase des Bürgerkriegs zurückfallen könnte.

06.11.2021: Die Zeit berichtet, dass in der nordafghanischen Stadt Masar-i-Sharif vier Frauen getötet wurden, darunter eine Bürgerrechtsaktivistin. Nach Angaben des von den Taliban geführten Innenministeriums seien zwei Tatverdächtige festgenommen worden. Angehörige der Aktivistin gaben an, sie hätte sich auf den Weg über einen Drittstaat nach Deutschland begeben wollen, der Kontakt zu ihr sei aber abgebrochen. Laut France 24 berichteten drei Quellen in Mazar-i-Sharif davon, dass die Frauen einen Anruf erhalten hätten, den sie für eine Einladung zu einem Evakuierungsflug hielten. Sie seien von einem Auto abgeholt und später tot aufgefunden worden.

02.11.2021: CNN berichtet darüber, dass seit der Machtübernahme durch die Taliban immer mehr afghanische Familien ihre Töchter in eine Frühehe verkauften um zu überleben. Vor allem die ärmsten Familien, die oft durch Krieg und Dürren vertrieben wurden und bisher von humanitärer Hilfe, geliehenem Geld von Verwandten oder Gelegenheitsjobs leben konnten, würden zu dieser Praxis gezwungen. Mit dem Geld oder den Gütern, die sie im Austausch für ihre Kinder erhielten, könnten die Familien in der Regel nur noch einige Monate überleben.

25.10.2021: Human Rights Watch (HRW) dokumentiert die Zunahme von gezielten Angriffen und Bombenanschlägen des Islamischen Staates Khorasan (IS/Daesh) gegen die schiitische Minderheit Afghanistans. Darunter auch den Selbstmordanschlag auf eine schiitische Moschee in Kunduz am 8. Oktober, bei welchem 72 Personen ums Leben kamen, und auf eine schiitische Moschee in Kandahar am 15. Oktober, bei dem mindestens 63 Personen starben. Laut HRW stellen diese Anschläge Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.

Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) wird ab November mehr als die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans, 22,8 Millionen Menschen, von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sein. Dies geht aus dem jüngsten Bericht über die Integrierte Klassifizierung der Ernährungssicherheitsphase (Integrated Food Security Phase Classification IPC) hervor.

21.10.2021: Sechs Wochen nach dem Ende der Evakuierungen aus Afghanistan veröffentlicht Amnesty International eine Untersuchung dazu, welche Möglichkeiten Afghan*innen noch haben, aus dem Land zu fliehen. Die Bilanz sei «düster». Dabei kritisiert AI, dass kein Land seine Grenzen für Afghan*innen, die Zuflucht suchten, offengehalten hätte und fordert alle Staaten dazu auf, Massnahmen zu ergreifen, um die Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen sowie den Afghan*innen, die sich bereits in ihrem Hoheitsgebiet befinden, internationalen Schutz zu bieten.

20.10.2021: In seinem Blog zieht der Afghanistan Experte Thomas Ruttig nach zwei Monaten Taliban-Herrschaft eine Zwischenbilanz: Die Taliban zeigten sich bisher nicht in der Lage das Land geordnet zu regieren. Gleichzeitig drohe Afghanistan ein Wirtschaftskollaps und ein Anstieg der Armutsrate. Ruttig bezieht sich dabei auf die Meldung des Internationalen Währungsfonds (IWF), der davon ausgeht, dass die afghanische Wirtschaft dieses Jahr um bis zu 30 Prozent schrumpfen könnte. Er verweist auch auf das UN-Entwicklungsprogramm UNDP, welches im September warnte, dass bis Mitte nächstes Jahr bis zu 97 Prozent aller Afghan*innen in Armut leben könnten. Schon jetzt hätten laut dem UN-Welternährungsprogramm WFP 95 Prozent der afghanischen Bevölkerung nicht genug zu essen.

13.10.2021: Amnesty International (AI) fordert die Taliban dazu auf, allen Mädchen das Recht auf Bildung zu gewähren. Im September wurden Sekundarschulen für Schüler wieder geöffnet. Schülerinnen würde der Zugang jedoch grösstenteils verwehrt werden. Einschüchterungen, Drohungen und Gewalt an Schulen durch die Taliban führten zudem im ganzen Land zu weniger Schulbesuchen. Auch Lehrpersonen blieben aus Angst ihrer Arbeit immer häufiger fern.

Gemäss dem Guardian ist es seit der Machtergreifung der Taliban für Afghan*innen, welche unter schweren Gesundheitsproblemen leiden, viel schwieriger geworden, die Grenze zu Pakistan zu überqueren, um dort medizinische Hilfe zu erhalten. Wo es für diese Personen vorher kein Problem war, die Grenze zu überqueren, erhalten sie nun von den Taliban keine Bewilligung, da sie sie beschuldigen, das Land verlassen zu wollen. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist dabei umso wichtiger, weil die Budgetreduktionen der internationalen Geldgeber den Mangel an medizinischen Gerätschaften verschärft haben. Auch sind zahlreiche Ärzt*innen vor den Taliban geflüchtet. Für die Weltgesundheitsorganisation befindet sich das afghanische Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs.

12.10.2021: Laut dem Tages-Anzeiger stellt der Bund 38 Radsportler*innen ein humanitäres Visum aus. Das Ersuchen um die Gewährung eines solchen Visums habe gemäss dem SEM der Radsportweltverband (UCI) eingereicht. Die teilweise noch minderjährigen Sportler*innen seien akut bedroht und würden nun ein normales Asylverfahren durchlaufen.

11.10.2021: Laut Al-Jazeera kritisiert UNO-Generalsekretär António Guterres, dass die Taliban ihre Versprechen bezüglich der Rechte für Frauen und Mädchen gebrochen hätten. Guterres erinnert daran, dass die Taliban bei ihrer Machtübernahme im August betont hätten, deren Rechte zu wahren. Er sei «beunruhigt», dass dieses Versprechen nicht eingehalten würde und fordert die Taliban dazu auf, «ihre Versprechen gegenüber Frauen und Mädchen einzuhalten sowie ihren Verpflichtungen aus den internationalen Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht nachzukommen.»

Daneben richtet sich Guterres mit der Forderung, Afghanistan mit Geldmittel zu versorgen, an die internationale Gemeinschaft: Nur so könne der wirtschaftliche Zusammenbruch des Landes verhindert werden.

09.10.2021: BBC berichtet von einem Selbstmordattentat auf eine schiitische Moschee in der Stadt Kunduz während des Freitagsgebets vergangene Woche. Bei dem Anschlag, zu dem sich der sogenannte «Islamische Staat in der Provinz Khorasan» bekannt habe, seien mindestens 50 Personen getötet und 100 weitere verletzt worden. Die Gruppierung habe in den letzten Jahren regelmässig Schiit*innen ins Visier genommen, welche sie als Ketzer*innen betrachteten.

Der Anschlag ist der tödlichste seit der Machtübernahme der Taliban. Bereits fünf Tage vorher sind bei einem Bombenangriff auf eine Moschee in der Nähe von Kabul mehrere Menschen getötet worden.

07.10.2021: Rund 85'000 afghanische Geflüchtete werden in den nächsten Jahren einen Resettlement-Platz benötigen. Trotzdem konnten sich die EU-Staaten und die Schweiz an ihrem heutigen Treffen auf kein Aufnahmeprogramm einigen. Die SFH fordert in einer Medienmitteilung, dass die Schweiz jetzt mit gutem Beispiel vorangeht und ein zusätzliches Kontingent an Resettlement-Plätzen zur Verfügung stellt.

Radio SRF berichtet, dass Menschen aus Afghanistan kaum humanitäre Visa erhalten. Von den rund 7800 beim SEM eingegangenen Anfragen, bei denen es mehrheitlich um Familienzusammenführungen ging, seien gerade mal drei mit einer positiven Einschätzung beantwortet worden. Sarah Progin-Theuerkauf, Professorin für Migrationsrecht an der Universität Freiburg, betont, dass bei der Erteilung von humanitären Visa rechtlich durchaus Handlungsspielraum vorhanden wäre. Die Schweiz als souveräner Staat könne demnach so viele Visa austeilen, wie sie wolle, so die Professorin. 
Die SFH fordert bereits seit langem die erleichterte und beschleunigte Erteilung von humanitären Visa.

06.10.2021: Nach mehrmonatigem Unterbruch stellen die Taliban seit dem 5. Oktober wieder Reisedokumente aus, so berichtet die Washington Post. Zusätzlich zu den 25'000 Pässen, die bereits vorgängig beantragt und bezahlt worden seien, wollen die Taliban bis zu 6'000 Pässe pro Tag ausstellen können. Die Bezeichnung des Staates soll nach der Machtübernahme unverändert bleiben: Islamische Republik Afghanistan. Die Wiederaufnahme der Arbeit in den Passbüros führte zu Schlangen von Hunderten von Menschen. Es kam zu chaotischen Szenen. Lokalen Medien zufolge seien in den letzten zwei Monaten mindestens 170'000 Passanträge gestellt worden.

05.10.2021: Amnesty International (AI) wirft den Taliban Kriegsverbrechen vor. Nach Informationen der Menschenrechtsorganisation haben Taliban in der Provinz Daikundi Ende August 13 Angehörige der Hazara-Minderheit getötet. Neun Sicherheitskräfte der entmachteten afghanischen Zentralregierung seien ohne Gerichtsprozess von Taliban-Kämpfern hingerichtet worden, obwohl sie sich ergeben hätten. Zwei weitere ehemalige Sicherheitsmänner wurden laut AI bei einem Fluchtversuch getötet. Im Kreuzfeuer starben zudem zwei Zivilisten. Nach Auffassung von AI sind die aussergerichtlichen Hinrichtungen als Kriegsverbrechen einzustufen.

02.10.2021: Die Deutsche Welle berichtet über die Todesangst von LGBTQI in Afghanistan. Sie müssen sich verstecken, ihre sexuelle Orientierung strikt geheim halten und verbergen. Für einen Mann, der Sex mit einem anderen Mann habe, gebe es nur zwei mögliche Strafen, erklärte wenige Wochen vor der Machtübernahme ein Taliban-Richter: «Entweder Steinigung oder er muss hinter einer Mauer stehen, die auf ihn fällt. Die Mauer muss zweieinhalb bis drei Meter hoch sein.»

01.10.2021: Nach Angaben von Human Rights Watch sind seit der Machtübernahme der Taliban 32 Journalist*innen und Medienschaffende vorübergehend festgenommen worden. Die meisten davon seien nach einer Verwarnung wegen ihrer Berichterstattung wieder freigelassen worden. Einige berichteten von Schlägen. Neben diesen Verhaftungen habe der Geheimdienst der Taliban zudem Journalist*innen vorgeladen und sie gewarnt, dass ihre Berichterstattung «Propaganda» darstelle und eingestellt werden müsse.

28.09.2021: Gemäss dem Spiegel wollen die Taliban vorübergehend die Verfassung von 1964 aus der Regierungszeit des Königs Zahir Schah anwenden. Unter dieser war der König weder dem Volk noch dem Parlament gegenüber rechenschaftspflichtig.

CNN berichtet, dass Mohammad Ashraf Ghairat, neuer Rektor der Universität Kabul, Frauen die Teilnahme am Unterricht an der Universität solange verwehrt, «bis ein islamisches Umfeld» geschaffen sei. Laut Ghairat arbeite die Universität an einem Plan zur Anpassung des Unterrichts für weibliche Studierende, wobei unklar ist, wann dieser abgeschlossen sein wird. Es solle aber möglich sein, dass Frauen von Professoren unterrichtet werden, solange sich die Studentinnen hinter einem Vorhang befinden.

Die Ernennung Ghairats zum Rekor hat für viel Kritik gesorgt, weil seine Qualifikation für den Posten mangelhaft sei.

27.09.2021: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs hat laut der Nachrichtenagentur Reuters am Montag erklärt, dass er einen Antrag für die Wiederaufnahme der Untersuchung von Kriegsverbrechen in Afghanistan stellt. Im Fokus sollen die Taten der Taliban und der Miliz Islamischer Staat Khorasan (ISIS-K) stehen. Die Ermittlungen wurden im vergangenen Jahr auf Antrag der damaligen afghanischen Regierung ausgesetzt. Diese Untersuchungen beinhalteten auch mutmassliche Verbrechen der US-Streitkräfte und der afghanischen Regierungstruppen. Dass diese nun ausgeklammert werden, bezeichnet die afghanische Menschenrechtsaktivistin Horia Mosadiq als «eine Beleidigung für Tausende anderer Opfer von Verbrechen der afghanischen Regierungstruppen sowie der US- und NATO-Truppen».

26.09.2021: Laut dem Newsportal Gandhara haben seit der Machtübernahme der Taliban Dutzende Frauenhäuser aus Angst vor den Taliban ihre Pforten geschlossen, Dokumente verbrannt und die Frauen zu ihren misshandelnden Familien zurückgeschickt. Aktivist*innen befürchten nun, dass die Mädchen und Frauen Opfer von «Ehrenmorden» werden könnten. Die Frauenhäuser sind im zutiefst konservativen und patriarchalen Land seit langem heftiger Kritik ausgesetzt. Trotz der Fortschritte, die seit Ende 2001 für die Rechte der Frauen erzielt wurden, sind häusliche Gewalt und Zwangsheirat verbreitet und die Selbstmordrate von Frauen gehört zu den höchsten weltweit.

25.09.2021: In der westafghanischen Stadt Herat haben die Taliban laut der FAZ die Leichen von vier mutmasslichen Entführern aufgehängt, die sie zuvor erschossen hatten. Schir Ahmed Muhadschir, stellvertretender Gouverneur der Provinz Herat, bezeichnete das Aufhängen der Leichen als «Lektion» für die Bevölkerung dafür, dass Entführungen nicht geduldet würden. Einer der getöteten Männer trug auf seiner Brust die Warnung: «So werden Entführer bestraft.».

23.09.2021Human Rights Watch und das Menschenrechtsinstitut der San José State University beschreiben Übergriffe der Taliban gegen Frauen in der westafghanischen Stadt Herat, die am 12. August 2021 eingenommen wurde. Die Taliban begehen demnach weit verbreitete und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an Frauen und Mädchen und verbreiten grosse Angst. Taliban haben prominente Frauen ausfindig gemacht, sie schränken die Bewegungsfreiheit der Frauen ausserhalb ihrer Häuser ein und erlassen Kleidervorschriften. Zudem haben sie den Zugang zu Beschäftigung und Bildung stark eingeschränkt.   

In einem Interview mit The Associated Press sagte Mullah Nooruddin Turabi, einer der Gründer der Talibanbewegung, dass im Rahmen des islamischen Rechts wieder Hinrichtungen und Handamputationen durchgeführt werden sollen, wenn auch sehr wahrscheinlich nicht in der Öffentlichkeit. Turabi war während der früheren Taliban-Herrschaft Justizminister und Leiter des sogenannten Ministeriums für die «Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern» (Religionspolizei). Unter der neuen Taliban-Regierung ist er für die Gefängnisse zuständig.

21.09.2021: Amnesty International, die Internationale Föderation für Menschenrechte (FIDH) und die Weltorganisation gegen Folter (OMCT) dokumentieren in ihrem Briefing, wie die Taliban seit ihrer Machtübernahme die Errungenschaften der letzten zwanzig Jahre im Bereich der Menschenrechte kontinuierlich demontieren. Entgegen den wiederholten Beteuerungen der Taliban, sie würden die Rechte der Bevölkerung respektieren, wird aufgezeigt, dass Zivilpersonen und sich ergebende Soldaten gezielt getötet werden und die Rechte von Frauen, die Meinungsfreiheit und die Zivilgesellschaft eingeschränkt werden. Proteste wurden von den Taliban gewaltsam niedergeschlagen. Die Menschenrechtsorganisationen rufen den Uno-Menschenrechtsrat auf, eine unabhängige Untersuchung einzurichten und Beweise für schwere Menschenrechtsverletzungen in ganz Afghanistan zu dokumentieren, zu sammeln und zu sichern. 

20.09.2021: Laut CNN haben die Taliban die weiblichen Angestellten der Stadtverwaltung von Kabul angewiesen, zu Hause zu bleiben. Nur Frauen, deren Aufgaben nicht von Männern erledigt werden können, dürfen zur Arbeit kommen. Eine der einzigen Tätigkeiten, die Frauen für die Regierung in Kabul ausüben dürfen, ist die Reinigung von Frauentoiletten, heisst es in der Ankündigung.

19.09.2021: Wie die BBC berichtet, wurden am Samstag die afghanischen Schulen wiedereröffnet, doch nur die Jungen und männlichen Lehrer dürfen wieder in die Klassenzimmer. Die Taliban schliessen die Mädchen vom Besuch der Sekundarschule (ab 13 Jahren) aus. Taliban-Sprecher Zabihullah Mudschahid wurde gleichzeitig von der afghanischen Nachrichtenagentur Bakhtar mit den Worten zitiert, dass die Schulen für Mädchen bald wieder geöffnet würden. Er sagte, Beamte würden zurzeit am «Vorgehen» arbeiten. Doch viele Schülerinnen befürchten, dass sie nicht mehr an die Schule zurückkehren dürfen. 

18.09.2021: Gemäss der FAZ wandeln die Taliban das afghanische Frauenministerium in den Sitz des «Ministeriums für Gebet und Orientierung sowie zur Förderung der Tugend und zur Verhinderung von Lastern» um. Unter einem ähnlichen Namen agierte zwischen 1996 bis 2001 die Religionspolizei, die die Scharia unter anderem auch mit öffentlichen Hinrichtungen durchsetzte. 

13.09.21: Anlässlich der Eröffnung der 48. Session des UN-Menschenrechtsrats hat die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, erklärt, dass sie glaubhafte Informationen bezüglich der Ermordung von ehemaligen Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte durch die Taliban erhalten habe. Ausserdem auch Informationen über willkürliche Verhaftungen von Mitgliedern der ehemaligen Administration sowie derer Familienmitglieder. Auch würden die Taliban von Haus zu Haus gehen auf der Suche nach ehemaligen Funktionären und Personen, welche mit den Sicherheitskräften und amerikanischen Unternehmen zusammengearbeitet haben.

Laut BBC haben die Taliban im umkämpften Panjshir-Tal mindestens 20 Zivilist*innen getötet ­– darunter auch einen Ladenbesitzer, dem vorgeworfen wurde, dass er SIM-Karten an Widerstandskämpfer verkauft habe. Seine Leiche, die Spuren von Folter trug, wurde ein paar Tage nach seinem Verschwinden vor seinem Haus deponiert. 

12.09.2021: Der Minister für Hochschulbildung der Taliban verkündet, dass Frauen und Männer an den Universitäten voneinander getrennt unterrichtet werden sollen, so berichtet BBC. Die Frauen müssten sich zudem an eine neue Kleiderordnung halten und es werde überprüft, ob die unterrichteten Fächer nicht den «islamischen, nationalen und historischen Werten» widersprechen. Die Geschlechtertrennung soll auch auf die Grund- und Sekundarstufe angewendet werden. 

09.09.2021: Nach Angaben der BBC wurden zwei afghanische Journalisten, die über einen Frauenprotest in Kabul berichteten, von den Taliban festgenommen, bedroht und ausgepeitscht, bevor sie nach mehreren Stunden wieder freigelassen wurden. Nach Angaben von Zeugen wurden in den letzten zwei Tagen mindestens 14 Journalist*innen festgenommen und wieder freigelassen.

08.09.2021: Nach Angaben des Guardian haben die Taliban als Reaktion auf mehrere Demonstrationen ein Dekret erlassen, das jede nicht offiziell genehmigte Demonstration verbietet. Diejenigen, die sich nicht an das Verbot halten, müssen mit «ernsthaften rechtlichen Konsequenzen» rechnen.

Die Taliban kündigen an, dass Frauen keinen Sport mehr treiben dürfen. Der Guardian  zitiert einen Taliban-Beamten mit den Worten, dass es für eine Frau «nicht notwendig» sei, Sport zu treiben. Außerdem würde sie riskieren, Teile ihres Körpers zu entblößen.

07.09.2021: Nach Angaben von UNICEF wurden in dem Chaos auf dem Flughafen von Kabul Ende August fast 300 Kinder ohne ihre Eltern ausgeflogen. UNICEF geht davon aus, dass diese Zahl mit zunehmender Identifizierung steigen wird, berichtet Die Zeit.

Laut  Guardian erwägen die Taliban, die von den USA entwickelte digitale Identitätstechnologie nutzen zu wollen, um Jagd auf Afghan*innen zu machen, die mit der internationalen Koalition zusammengearbeitet haben. Die Taliban haben inzwischen auch Zugang zu den digitalen Identifikationssystemen und -technologien, die mit internationaler Hilfe aufgebaut wurden.

Die Taliban haben nach ihrer Machtübernahme in Kabul versprochen, eine «inklusive» Regierung zu bilden. Getan haben sie nun gemäss NZZ das Gegenteil. Die Zeitung beschreibt diese als eine Regierung der Sieger. Die Besiegten, Repräsentanten der alten afghanischen Regierung und Frauen sind ausgeschlossen.

06.09.2021: Gemäss Guardian befürchtet eine blinde Menschenrechtsaktivistin und Beauftragte der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC), dass die Taliban Menschen mit Behinderungen vernachlässigen und diskriminieren werden. Sie ist der Überzeugung, dass viele Menschen im Land glauben, dass eine Behinderung eine Strafe Gottes für die Sünden der Eltern ist.

05.09.2021: Nach Angaben der New York Times sitzen rund 1.000 Menschen, darunter Dutzende amerikanischer Staatsbürger und Afghan*innen mit Visa für die Vereinigten Staaten und andere Länder, seit mehreren Tagen auf dem Flughafen Mazar-i Sharif fest. Sie warten darauf, dass die Taliban ihnen die Ausreise erlauben. Diese Verzögerung zeigt, wie schwierig es für ausländische Regierungen ist, mit den Taliban zusammenzuarbeiten, die noch keine Regierung gebildet haben.

Gemäss einem Bericht des Tagesanzeigers müssen Frauen an privaten Hochschulen ab sofort den Niqab tragen. Sie dürfen nur getrennt von den Männern unterrichtet werden. Auch der Unterricht sollte nach Möglichkeit von einer Frau gehalten werden.

04.09.2021: Gemäss Echo der Zeit demonstrierten etwa zwei Dutzend Frauen in Kabul für ihre Rechte, was zu Auseinandersetzungen mit den Taliban führte. Die Demonstranten wurden von etwa 50 Sicherheitskräften umzingelt. Eine Frau wurde verletzt.

31.08.2021: Die USA geben bekannt, ihre letzten Truppen aus Afghanistan abgezogen zu haben. An einem Treffen der EU-Innenminister können sich diese nicht auf konkrete Zusagen zur Aufnahme von Geflüchteten aus Afghanistan einigen. Angesichts der Entwicklung in Afghanistan zeigt sich die UNO besorgt und verlangt von den Taliban in einer Resolution, Afghaninnen und Afghanen jederzeit und ungehindert und auf allen möglichen Wegen die Ausreise aus dem Land zu ermöglichen und die Menschenrechte zu respektieren. Die SFH fordert von der Schweiz nochmals, sich für sichere Fluchtwege und einen schnellen Zugang zu fairen Asylverfahren einzusetzen.

30.08.2021: Dem Guardian zufolge haben die Angriffe auf den Flughafen von Kabul die Flucht der Afghan*innen ins Ausland beschleunigt. Viele Menschen sind nach Pakistan geflohen. In den letzten Tagen haben Berichten zufolge Hunderttausende von Menschen den Grenzübergang Spin-Boldak im Süden Afghanistans überquert. In den letzten zwei Tagen haben etwa 20.000 Menschen das Land verlassen. Nach Angaben des UNHCR ist dieser Grenzübergang derzeit der einzige Ausweg, da die Grenzen zu Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan geschlossen sind und für die Einreise in den Iran ein Visum und ein Reisepass erforderlich sind.

27.8.2021: Wie die BBC berichtet, gab es am Donnerstag zwei schwere Bombenexplosionen im Umfeld des Flughafens von Kabul. Bei den Explosionen wurden mindestens 90 Menschen getötet und 150 verletzt. Der Angriff, zu dem sich laut Guardian der afghanische Zweig der Gruppe «Islamischer Staat» bekannte, erschwert den Evakuierungsprozess zusätzlich. Weiterhin versuchen Tausende von Menschen, auf dem Luftweg aus dem Land zu fliehen. Unter ihnen befinden sich viele afghanische Menschen, die mit ausländischen Streitkräften zusammengearbeitet haben. Die USA wollen laut BBC ihre Evakuierungsflüge bis am 31. August fortsetzten, Deutschland beispielsweise habe diese bereits eingestellt, wie DW berichtet.

26.08.2021: Dem Guardian zufolge berichten Menschenschmuggler, dass die Nachfrage von Afghan*innen über Pakistan in den Iran gebracht zu werden, seit der Machtübernahme der Taliban angestiegen sei. Zudem sollen über den Grenzübergang Spin Boldak täglich 6000 Personen nach Pakistan einreisen. Nach Angaben von Raza Royesh, einem Hazara-Aktivisten, seien in den letzten Tagen etwa 10’000 Angehörige der schiitischen Hazara-Minderheit aus Afghanistan nach Pakistan gelangt.

25.08.2021: Der europäische Flüchtlingsrat ECRE, zahlreiche NGOS und Diasporaorganisationen veröffentlichen einen gemeinsamen Appell mit fünf Kernforderungen zu Afghanistan. Der von der SFH mitunterzeichnete Appell fordert u.a. die Evakuierung besonders gefährdeter Menschen und den raschen Zugang zu fairen Asylverfahren in Europa.

Laut DW sichern derzeit noch rund 6000 US-Soldaten den Flughafen in Kabul. Dieser Einsatz soll aber am 31. August mit dem Abzug der letzten US-Truppen beendet werden, wie Joe Biden in der Nacht auf Mittwoch erklärte. Bisher wurden 70'000 Menschen aus Afghanistan evakuiert. Wie viele Schutzsuchende in dem verbleibenden Zeitfenster noch aus dem Land ausgeflogen werden können, ist ungewiss.

24.08.2021: Wie die Zeitung Die Welt berichtet, sollen ab sofort auch frühere Mitarbeitende des deutschen Entwicklungsministeriums und des Auswärtigen Amts, die seit 2013 bei diesen Ministerien gearbeitet haben, einen Antrag auf Evakuierung stellen können. Frühere Mitarbeiter dieser beiden Ministerien konnten bisher nur einen Antrag stellen, wenn sie in den vergangenen zwei Jahren dort beschäftigt waren. Verteidigungsministerium und Innenministerium hatten die Frist bereits im Juni auf 2013 ausgeweitet.

BBC meldet, dass laut einem Sprecher der Taliban Afghan*innen nicht mehr an den Flughafen gelassen werden. Ausländische Länder sollen die Menschen nicht ermutigen, das Land zu verlassen. Diese würden im Land gebraucht und  sollten zu ihrem normalen Leben zurückkehren. 

Das EDA meldet, dass alle lokalen DEZA-Mitarbeitenden und ihre Angehörigen aus Kabul evakuiert wurden. Somit konnten alle Lokalangestellten, die das Land verlassen wollten, aus der afghanischen Hauptstadt evakuiert werden. Zurzeit befinden sich demnach noch 16 Schweizer Staatsangehörige in Afghanistan.

Michelle Bachelet, UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, sprach heute an der Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrates von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban in Afghanistan. Der UNO liegen glaubhafte Berichte über willkürliche Hinrichtungen von Zivilist*innen und Angehörigen der ehemaligen Sicherheitskräfte des Landes vor. Zudem sei der Bewegungsspielraum von Frauen in verschiedenen Regionen eingeschränkt und Mädchen der Zugang zu Schulen verwehrt worden.

23.08.2021: Das UNHCR fordert alle Länder dazu auf, Geflüchteten aus Afghanistan Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet zu gewähren und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung jederzeit zu gewährleisten. Zusätzlich sollen abgelehnte Asylsuchende vorläufig nicht nach Afghanistan zwangsausgeschafft werden.

20.08.2021: Auch wenn sich die Taliban-Führung öffentlich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hat, zweifelt Human Rights Watch an der Glaubwürdigkeit solcher Aussagen. Seit der Machtübernahme der Taliban sei immer wieder von Tötungen von Mitgliedern des Sicherheitspersonals der ehemaligen Regierung berichtet worden. Aus diesem Grund fordert Human Rights Watch einen internationalen Überwachungsmechanismus.

Die TV-Moderatorin Shabnam Dawran wird von den Taliban daran gehindert, ihre Arbeit beim Sender Radio Television Afghanistan weiter auszuüben. Nachdem ihr der Zugang zum Gebäude verwehrt wurde, wendete sie sich in einem Video auf den sozialen Medien zu Wort: «Wenn die Welt mich hört, helfen Sie uns. Unser Leben ist in Gefahr.»

19.08.2021:Amnesty International berichtet, dass laut Augenzeug*innen zwischen dem 04. und 06.07.2021 in der Provinz Ghazni neun Männer der ethnischen Minderheit der Hazara von Taliban getötet wurden. Sechs der Männer wurden erschossen und drei zu Tode gefoltert, darunter ein Mann, der mit seinem eigenen Schal erdrosselt und dessen Armmuskeln abgetrennt worden seien.

Laut einem Bericht der Deutschen Welle (DW) haben die Taliban die Wohnungen von mindestens drei DW-Journalisten durchsucht. Dabei wurde ein Familienmitglied eines in Deutschland lebenden Journalisten erschossen und ein anderes schwer verletzt. Die DW weist im Artikel auf weitere Übergriffe der Taliban auf Medienschaffende hin.

18.8.2021: Justizministerin Karin Keller-Sutter gibt an einer Pressekonferenz des Bundesrats bekannt, dass die Schweiz im Rahmen einer humanitären Aktion 40 lokale Mitarbeitende der DEZA und deren Kernfamilien, insgesamt 230 Personen, aufnehmen wird. 

  • Die SFH begrüsst den Entscheid des Bundesrates, hält aber die Aufnahme von 230 Personen für unzureichend! Lesen Sie dazu unsere Medienmitteilung.

17.08.2021: Eine UN-Expertin fordert die Wiederöffnung des Flughafens von Kabul für zivile Flüge, damit sichere Fluchtwege für Menschen, die besonders gefährdet sind, gewährleistet werden können. Dazu gehören beispielsweise Menschenrechtsverteidiger*innen, Personen, die sich für Frauenrechte und kulturelle Rechte einsetzen und Künstler*innen.

16.8.2021: UN-Menschenrechtsexpert*innen fordern die Mitgliedstaaten auf, sofortige und präventive Massnahmen zu ergreifen, um «Massaker an Zivilpersonen», die Zerstörung wichtiger ziviler Infrastruktur und die Zerstörung jahrzehntelanger Bemühungen in den Bereichen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Gleichstellung der Geschlechter zu verhindern. Sie äussern sich erschüttert über die Angriffe auf die Zivilbevölkerung, auf unabhängige Journalist*innen und auf die Medien sowie die Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Seit Ende Mai wurde rund eine Viertelmillion Afghan*innen zur Flucht gezwungen. Fast 80 Prozent davon seien Frauen und Kinder.

10.08.2021: Michelle Bachelet, UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, äussert sich alarmiert über Berichte aus den von den Taliban eroberten Regionen. Diese legten nahe, dass Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden.

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