Worum geht es?
Das Asylgesetz (Art. 4 und Art. 66 ff.) sieht den Status S fĂŒr Personen vor, die vom Bundesrat aufgrund bestimmter Kriterien zu «SchutzbedĂŒrftigen» erklĂ€rt worden sind. Ihre Aufnahme erfolgt ohne Asylverfahren rasch und bis der Schutzbedarf entfĂ€llt. Es handelt sich um eine befristete humanitĂ€re Aufnahme von Gruppen, bei denen die FlĂŒchtlingseigenschaft nicht ĂŒberprĂŒft wird.
Erstmalige Aktivierung im MĂ€rz 2022
Erstmalig aktiviert wurde der Schutzstatus S im MĂ€rz 2022 fĂŒr GeflĂŒchtete aus der Ukraine im Zuge des russischen Angriffskriegs. Die Schweiz orientiert sich bei dessen Ausgestaltung an der EU-Richtlinie zum vorĂŒbergehenden Schutz. Die SFH begrĂŒsst dessen Anwendung. Gerade bei grossen Fluchtbewegungen aufgrund akuter Kriegssituationen braucht es ein angemessenes, schnelles und pragmatisches Vorgehen. Hierzu dient der Status S. Dieser ermöglicht es, den aus der Ukraine GeflĂŒchteten in der Schweiz rasch und unkompliziert Schutz und Aufnahme zu bieten.
Bisherige Haltung der SFH
Vor dem Hintergrund anderer Konflikte der letzten Jahre (z.B. Syrien, Afghanistan) stand die SFH dem Status S kritisch gegenĂŒber. Dies insbesondere, weil gemĂ€ss ihrer EinschĂ€tzung die FluchtgrĂŒnde in diesen Kontexten komplex sind und potenziell zahlreiche Betroffene die FlĂŒchtlingseigenschaft erfĂŒllen. Hier braucht es deshalb eine individuelle PrĂŒfung der FluchtgrĂŒnde. Die Ausgangslage in der Ukraine ist anders: Die grosse Mehrheit der schutzsuchenden Personen verlĂ€sst die Ukraine aufgrund des Kriegsausbruchs.
ZeitgemÀsse Ausgestaltung
Da der Status S vor MĂ€rz 2022 nie angewandt wurde, wurde die entsprechende Regelung seit ihrer Schaffung nicht eigenstĂ€ndig weiterentwickelt, sondern lediglich auf dem Papier weitergefĂŒhrt. Gleichzeitig hat sich das asyl- und auslĂ€nderrechtliche System seither in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt. Um zu einer zeitgemĂ€ssen Ausgestaltung des Status S zu gelangen, muss dieser deshalb gemĂ€ss den aktuell gesammelten Erfahrungen weiterentwickelt werden.
DafĂŒr setzen wir uns ein
- Beim Personenkreis sĂ€mtliche SchutzbedĂŒrftigen berĂŒcksichtigen: Der Status S soll jeweils fĂŒr alle StaatsbĂŒrger*innen eines vom Krieg betroffenen Staates (unabhĂ€ngig vom Zeitpunkt der Ausreise) sowie auch fĂŒr Drittstaatsangehörige mit legalem Aufenthalts- oder Schutzstatus im betreffenden Land gelten. Zur Frage, ob Drittstaatsangehörige in ihr Heimatland zurĂŒckkehren können, braucht es eine sorgfĂ€ltige EinzelfallprĂŒfung. Dies gilt auch fĂŒr binationale Familien und DoppelbĂŒrger. VorĂŒbergehender Schutz sollte zudem jenen Drittstaatangehörigen und Staatenlosen gewĂ€hrt werden, welche sich legal, aber nicht dauerhaft in dem vom Krieg betroffenen Land aufgehalten haben und nicht in ihre HeimatlĂ€nder zurĂŒckkehren können;
- Asylverfahren jederzeit möglich: Personen, die den Schutzstatus S erhalten, mĂŒssen bei Bedarf jederzeit auch die Möglichkeit haben, ein Asylgesuch zu stellen, wenn sie individuelle AsylgrĂŒnde haben. Diesen Zugang zum Asylverfahren rĂ€umt auch die EU-Richtlinie zum vorĂŒbergehenden Schutz explizit ein. Das Schweizer Asylgesetz sieht dies nur fĂŒr FĂ€lle vor, in denen «offensichtlich eine Verfolgung» vorliegt;
- UneingeschrĂ€nkter Zugang zu ErwerbstĂ€tigkeit und Schule: Personen mit Status S sollen direkten und uneingeschrĂ€nkten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Ebenso zu gewĂ€hrleisten ist der umgehende Zugang zu Schulbildung fĂŒr Kinder im schulpflichtigen Alter;
- Reisefreiheit: Reisen sollen ohne Bewilligungspflicht fĂŒr alle Personengruppen gelten, die unter den Status S fallen. Die Reisefreiheit ist dabei generell fĂŒr den Schutzstatus S zu verankern.
- Integrationsmassnahmen zur VerfĂŒgung stellen: Da trotz dem vorĂŒbergehenden Charakter des Schutzes zumindest mit der Möglichkeit eines lĂ€ngerfristigen Konflikts gerechnet werden muss, brauchen die SchutzbedĂŒrftigen eine Perspektive. Integrationsmassnahmen sind unerlĂ€sslich nicht nur aus Sicht der Betroffenen, sondern auch fĂŒr Kantone, StĂ€dte und Gemeinden. Hierzu braucht es neben Sprachkursen PotenzialabklĂ€rungen sowie Zugang zu Jobcoaching, Bildung und BeschĂ€ftigungsprogrammen. Um gerade auch die Integration von Frauen zu verbessern, sollte das Angebot fĂŒr die Kinderbetreuung ausgebaut werden. FĂŒr Personen mit Status S ist deshalb ein finanzieller Beitrag gemĂ€ss Integrationsagenda an die Kantone fĂŒr Integrationsmassnahmen zu gewĂ€hren und generell zu verankern.
- GenĂŒgende Sozialhilfe: Es hat sich gezeigt, dass die Sozialhilfe fĂŒr SchutzbedĂŒrftige zu tief angesetzt ist. Die SFH fordert dieselben SozialhilfeansĂ€tze fĂŒr sĂ€mtliche Schutzberechtigten in der Schweiz wie fĂŒr Schweizer BĂŒrger*innen.
- Vulnerable Personen besser schĂŒtzen: Im Umgang mit vulnerablen Personen braucht es Verbesserungen und Vereinheitlichungen. Dies zeigen u.a. die Erfahrungen mit unbegleiteten MinderjĂ€hrigen sowie Opfern und potenziellen Opfern von Menschenhandel im Ukraine-Kontext. FĂŒr diese braucht es gesonderte Massnahmen.
- Rechtsschutz bei Ablehnung des Status S: Die Rolle der Rechtsberatungsstellen im Verfahren zur GewĂ€hrung des Status S ist nicht geklĂ€rt, die Praxis ist uneinheitlich. Zudem fehlt eine staatliche Finanzierung fĂŒr ausreichenden Rechtsschutz in den Kantonen. Es braucht eine klare und einheitliche Regelung.