Notfallorganisation Asyl

Die Anzahl Asylgesuche in der Schweiz wird wesentlich von weltweiten migrationspolitischen Ereignissen bestimmt und kann stark schwanken. Im Fall einer erhöhten Zuwanderung im Migrationsbereich handelt der Bund nach der Notfallorganisation Asyl. Deren Ziel ist es, Asylverfahren, Unterbringung, Betreuung sowie Sicherheitsüberprüfung auch im Notfall und bei stark steigenden Asylgesuchszahlen sicherzustellen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Asylverfahren auch unter der Notfallorganisation korrekt ablaufen und bestimmte Standards im Bereich der Unterbringung eingehalten werden.

Die Notfallorganisation Asyl basiert vornehmlich auf den «Eckwerten der gemeinsamen Notfallplanung von Bund und Kantonen im Bereich Asyl» sowie bestimmten Eckwerten zur Schwankungstauglichkeit. In der Behandlungsstrategie des Staatssekretariats für Migration (SEM) ist festgelegt, welche Asylgesuche prioritär behandelt werden. Diese Priorisierung ist insbesondere relevant, wenn nicht genügend Ressourcen für die Erledigung aller Asylgesuche gemäss den Ordnungsfristen im Asylgesetz vorhanden sind.

Übersteigt die Anzahl der Gesuche den oberen Schwellenwert der Schwankungstauglichkeit, können im Rahmen der Notfallorganisation Asyl weitere Priorisierungen vorgenommen werden. Dieser obere Schwellenwert beträgt 29'000 Asylgesuche pro Jahr resp. 2'500 pro Monat. Wird diese Zahl überschritten, wird die Notfallorganisation aktiviert.

Das SEM kann in der Notfallorganisation Asylsuchende früher den Kantonen überstellen als im regulären Verfahren. Es gelten die folgenden, auf den erwähnten Dokumenten und dem Asylgesetz basierenden Prioritäten:

  • Als erstes kommen Personen mit Wegweisungsentscheid in die Kantone, bevor die 140 Tage Aufenthaltsdauer in den BAZ abgelaufen sind;
  • Als zweite Massnahme treten auch Personen in die Kantone über, bei welchen das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist. Die inhaltlichen Verfahrensarbeiten werden erst wiederaufgenommen, sobald Bearbeitungskapazitäten bestehen. Die Rechtsvertretung der BAZ bleibt auch nach Übertritt in die Kantone zuständig;
  • Als letzte Stufe kommen auch Asylsuchende im laufenden Dublinverfahren in die Kantone, direkt nach dem Dublingespräch.

Aufgrund der vielen Geflüchteten aus der Ukraine und der hohen Asylgesuchszahlen hat der Bund im Oktober 2022 die Notfallorganisation aktiviert.

Obige Grafik zeigt die monatlichen Asylgesuche seit Januar 2013. Unter anderem aufgrund hoher Asylgesuchszahlen kann der Bund die Notfallorganisation aktivieren. Davon hat er im Oktober 2022 Gebrauch gemacht.

Dafür setzen wir uns ein

Die Situation im Asylwesen in der Schweiz kann aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen in anderen Ländern und entsprechenden Fluchtbewegungen oder aufgrund hoher Asylgesuchszahlen sehr angespannt sein. Dass in solchen Lagen Notfallmassnahmen ergriffen werden, ist für die SFH nachvollziehbar und in bestimmten Situationen sogar begrüssenswert. Dennoch gibt es aus Sicht der SFH Standards, die auch in Notsituationen einzuhalten sind.

Asylverfahren

In der Notfallorganisation wird das Asylverfahren dezentralisiert und einige Schritte werden beschleunigt. Es besteht das Risiko, dass die Rechte der Geflüchteten darunter leiden.

  • Im Zweifelsfall ist den Gesuchsstellenden grosszügig Schutz zu gewähren;
  • Es braucht klare Abläufe und Zuständigkeiten, welche einheitlich und konsequent umgesetzt werden;
  • Neu eingeführte Beschleunigungsmassnahmen sind im Hinblick auf die Qualität der Entscheide zu evaluieren;
  • Einmal beschlossene Notfallmassnahmen sollen umgehend aufgehoben werden, sobald sich die Situation entspannt.

Unterbringung

Die Unterbringung ist in Zeiten der Notfallorganisation oft eine grosse Herausforderung. Sie entspricht dann auch nicht immer den von der SFH geforderten Mindeststandards.

  • Unterirdische Unterkünfte sollen, wo keine Privatsphäre möglich ist, nur in Notsituationen genutzt werden und zeitlich befristete Übergangslösungen bleiben. In engen Strukturen darf zudem die Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt sein;
  • Der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung muss jederzeit gewährleistet sein. Hierzu gehört eine adäquate medizinische Erstversorgung und bei Bedarf eine Überweisung an eine*n Fachärzt*in;
  • Unbegleitete Kinder und Jugendliche gehören nicht in unterirdische Kollektivstrukturen. Für sie braucht es eine eigene, von den Erwachsenen separierte Unterbringung, eine angemessene Betreuung sowie einen prioritären Zugang zum Rechtsschutz. Jede*r alleinreisende Minderjährige braucht zudem eine Vertrauensperson als Ansprechperson. Diese muss auch erreichbar sein;
  • Besonders verletzliche Personen sind rasch zu identifizieren, damit ihre besonderen Rechte und Bedürfnisse berücksichtigt werden können;
  • Familien sollten zwingend zusammenbleiben können, sofern sie es nicht anders wünschen;
  • Es sollte ausreichendes und fachlich spezialisiertes Personal in den Unterkünften vorhanden sein. Für den Fall von Konflikten muss das Sicherheitspersonal ausreichend angeleitet sein, um deeskalierend einzuwirken.