Vorläufige Aufnahme

Die vorläufige Aufnahme

Vorläufig Aufgenommene haben einen vergleichbaren Schutzbedarf wie anerkannte Flüchtlinge und bleiben erfahrungsgemäss langfristig in der Schweiz. Trotzdem sind sie gegenüber anderen Schutzberechtigten benachteiligt. Wir setzen uns dafür ein, dass die vorläufige Aufnahme durch einen positiven Schutzstatus ersetzt wird und vorläufig Aufgenommenen eine rasche Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt ermöglicht wird.

Gemäss Statistik des Staatssekretariats fĂĽr Migration (SEM) kommen die meisten vorläufig Aufgenommenen aus AfghanistanEritreaSyrien und Somalia. Häufig ist eine Gefährdung aufgrund langjährig andauernder BĂĽrgerkriege der massgebliche Grund fĂĽr den Schutzbedarf. BĂĽrgerkriegsflĂĽchtlinge werden in der Schweiz – selbst wenn sie persönlich unter den verheerenden Folgen des BĂĽrgerkriegs gelitten haben – in der Regel nicht als FlĂĽchtlinge anerkannt, sondern lediglich vorläufig aufgenommen. 

Sie werden wegen der hohen Anforderungen an den Nachweis zielgerichteter Verfolgung nicht als Flüchtlinge anerkannt und erhalten auch keinen alternativen Status, sondern einen negativen Asylentscheid mit einer Wegweisungsverfügung, wobei letztere nicht vollzogen werden kann und stattdessen eine vorläufige Aufnahme angeordnet wird.

Kritikpunkte

Dieses rechtliche Konstrukt ist für die breite Öffentlichkeit kaum verständlich. Die Bezeichnung der Aufnahme als «vorläufig» ist irreführend und suggeriert einen nur vorübergehenden Aufenthalt. Der vermeintlich nur vorläufige Aufenthalt hält potenzielle Arbeitgeber davon ab, vorläufig Aufgenommene einzustellen. Damit ist ihre Arbeitsmarktintegration massgeblich erschwert. Ebenfalls erschwert wird die Integration durch die hohen Hürden beim Familiennachzug. Wer seinen Ehepartner und die Kinder im Kriegsland zurücklassen musste, kann sich nur schlecht auf die Integration in der Schweiz fokussieren. Die Einschränkung des Familiennachzugs ist auch fraglich mit Blick auf das Grundrecht auf Familienleben.

Massive Nachteile müssen vorläufig Aufgenommene ausserdem bei der Reisefreiheit und der Sozialhilfe in Kauf nehmen. So dürfen vorläufig Aufgenommene selbst in Europa nur in Ausnahmefällen reisen. Gleichzeitig haben sie nur Anspruch auf Asylsozialhilfe, deren Ansätze deutlich tiefer liegen als bei der regulären Sozialhilfe.

Die einzige Möglichkeit für vorläufig Aufgenommene, einen stabileren Aufenthaltsstatus zu erhalten, ist ein Gesuch um eine Härtefallbewilligung (B). Die Erteilung einer solchen Bewilligung liegt im Ermessen der Kantone. Die kantonale Praxis ist dabei uneinheitlich und generell eher streng.

Im europäischen Kontext erhalten Kriegs-und Gewaltvertriebene nur in der Schweiz und in Liechtenstein keinen Schutzstatus. In den EU-Ländern erhalten sie stattdessen einen subsidiären Schutzstatus, der den Kriegs-und Gewaltvertriebenen ohne Flüchtlingsstatus in vielen Bereichen die gleichen Rechte und Leistungen wie Flüchtlingen gewährt.

Vergleichbarer Schutzbedarf wie andere GeflĂĽchtete

Kriegs- und Gewaltvertriebene haben einen vergleichbaren Schutzbedarf wie andere FlĂĽchtlinge. Sie können nicht in ihr Heimatland zurĂĽckkehren, da sie dort an Leib und Leben bedroht sind. Diese Gefahr besteht unabhängig davon, ob diese Menschen zielgerichtete Verfolgungsmassnahmen im Sinne der Genfer FlĂĽchtlingskonvention befĂĽrchten mĂĽssen oder Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen werden. Die Konflikt- und Gewaltsituationen in ihren Herkunftsländern dauern oft während Jahrzehnten an. Die SchutzbedĂĽrftigen bleiben deshalb häufig längerfristig in der Schweiz.

DafĂĽr setzen wir uns ein

  • Die vorläufige Aufnahme soll durch einen positiven Schutzstatus ersetzt werden, der den Betroffenen dieselben Rechte gewährt wie anerkannten FlĂĽchtlingen mit Asyl 
  • Der Schutzstatus soll gleichermassen gelten fĂĽr sämtliche Personen, die nicht die FlĂĽchtlingseigenschaft erfĂĽllen, aber aus anderen völkerrechtlichen oder humanitären GrĂĽnden den Schutz der Schweiz benötigen. Bei der Ankunft einer grossen Anzahl GeflĂĽchteter aufgrund einer akuten Kriegssituation (heute Schutzstatus S) verläuft das  Verfahren zur Schutzgewährung zwar anders, aber die Betroffenen sollen dieselben Rechte und damit den gleichen Schutzstatus erhalten.
  • Die Bezeichnung fĂĽr den neuen Schutzstatus soll auf das «vorläufig» verzichten und die Schutzgewährung stattdessen klar und positiv zum Ausdruck bringen. Die SFH schlägt hierfĂĽr «humanitärer Schutz» vor.
  • Es braucht fĂĽr vorläufig Aufgenommene ein Recht auf FamilienzusammenfĂĽhrung wie fĂĽr anerkannte FlĂĽchtlinge mit Asyl. Die kĂĽrzlich erfolgte Anpassung der Schweizerischen Rechtsprechung, welche eine verkĂĽrzte Wartefrist beim Familiennachzug vorsieht, ist deshalb zu begrĂĽssen. Allerdings braucht es eine gänzliche Streichung der Wartefrist und der weiteren aktuell geltenden Voraussetzungen (Sozialhilfeunabhängigkeit, genĂĽgend grosse Wohnung, Sprachkenntnisse der nachzuziehenden Person). DafĂĽr ist eine Gesetzesänderung notwendig.
  • Es soll eine grundsätzliche Reisefreiheit fĂĽr sämtlichen GeflĂĽchteten mit einem Schutzstatus in der Schweiz gelten, insbesondere im Schengen-Raum.
  • Das Recht auf Kantonswechsel soll fĂĽr vorläufig Aufgenommene analog dem fĂĽr anerkannte FlĂĽchtlinge gelten.
  • Wenn die RĂĽckkehr nach 5 Jahren nach wie vor nicht zulässig, zumutbar oder möglich ist, braucht es einen Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung als verbindliche Perspektive fĂĽr die Verstetigung des Aufenthaltsrechts.
  • FĂĽr vorläufig Aufgenommene soll Sozialhilfe im gleichen Umfang wie fĂĽr anerkannte FlĂĽchtlinge gewährt werden. Die Ansätze in der Asylsozialhilfe sind zu tief.
  • Die private Unterbringung bei Gastfamilien soll verstärkt genutzt werden, auch fĂĽr GeflĂĽchtete aus anderen Herkunftsländern als der Ukraine.

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