EU-Pakt der verpassten Chancen
Mit dem vorliegenden Entwurf zum EU-Pakt zu Migration und Asyl würde es die EU verpassen, die gemeinsame europäische Asyl- und Migrationspolitik grundlegend zu reformieren. Stattdessen liegt der Fokus der vorgeschlagenen Massnahmen noch stärker auf Abwehr, Kriminalisierung und innerer Sicherheit: Ein strengeres Grenzregime, zweitklassige Verfahren an der Aussengrenze, Kooperationen mit Drittstaaten wie der Türkei und rigorose Abschiebungen bilden die Schwerpunkte des neuen Paktes.
Zurzeit befinden sich die einzelnen Elemente des Pakts in unterschiedlichen Verhandlungsphasen. Das erklärte Ziel der meisten beteiligten Akteur*innen ist es, den Pakt vor den EU-Parlamentswahlen im Juni 2024 zu verabschieden.
Rolle der Schweiz
Als assoziiertes Schengen-/Dublin-Mitglied ist auch die Schweiz von den geplanten Änderungen betroffen. Sie sitzt mit beratender Stimme am Verhandlungstisch der zuständigen europäischen Innenminister*innen und sollte sich deshalb für die Wahrung von Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der europäischen Asylpolitik einsetzen.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kommentiert die Entwicklungen rund um den vorgeschlagenen EU-Pakt seit Beginn kritisch. Sie hält die Vorschläge für weitgehend untauglich und hat wiederholt auf besonders problematische Aspekte des Reformpakets hingewiesen, auch im Verbund mit ihrem europäischen Dachverband, dem Europäischen Flüchtlingsrat ECRE und anderen besorgten Akteur*innen.
Dafür setzen wir uns ein
- Nein zu misslungener Reform, ja zu Solidarität: Mit dem EU-Pakt droht die weitere Schwächung der Rechte von Asylsuchenden. Die SFH setzt sich statt für dieses misslungene Reformpaket für eine humane Anwendung der bestehenden Regeln durch die Schweiz ein. Artikel 17 der Dublin-III-Verordnung bietet bereits heute die Möglichkeit, Staaten an den Aussengrenzen zu unterstützen und durch Selbsteintritte Verantwortung zu übernehmen.
- Menschenrechte als Priorität: Mit dem EU-Pakt sollen geschlossene Massenhaftlager, in denen menschenunwürdige und erniedrigende Behandlung sowie Gewalt drohen, obligatorisch eingeführt werden. Zudem drohen Rückführungen in unsichere Drittstaaten zur Norm zu werden. Die SFH setzt sich dafür ein, dass die Menschenrechte in jeder Phase, in jedem Prozess und für jede Person innerhalb der EU sowie an ihren Grenzen an erster Stelle kommen.
- Schutzbedarf eruieren: Zweitklassige Verfahren an den EU-Aussengrenzen zielen statt auf den dringend notwendigen Schutz von Geflüchteten auf deren Abwehr und rasche Abschiebung ab. Die SFH setzt sich dagegen für eine konsequente Anwendung des geltenden EU-Asylrechts ein. Bestehende Standards im Hinblick auf die Aufnahme und Asylverfahren sind dabei umzusetzen und Verstösse zu untersuchen und konsequent zu sanktionieren.
- Stärkung der Mobilitätsrechte: Flüchtende aus der Ukraine können aktuell ihren EU-Aufnahmestaat frei wählen – im krassen Gegensatz zu anderen Schutzsuchenden. Das Modell hat sich gesamteuropäisch als Erfolg bewährt. An die positiven Erfahrungen anknüpfend, setzt sich die SFH dafür ein, dass alle Personen, die internationalen Schutz geniessen, ab Anerkennung ihres Status Freizügigkeit innerhalb der EU geniessen.