Die Kollektivunterkünfte
Schutzsuchende, die in der Schweiz ein Asylgesuch stellen, dürfen ihren Aufenthaltsort nicht frei wählen. Sie werden in der Regel einer Kollektivunterkunft zugewiesen, die im Auftrag von Bund und Kantonen betrieben wird.
Bei der Ankunft in der Schweiz reichen Asylsuchende ihr Gesuch grundsätzlich in einem der sechs Bundesasylzentren mit Verfahrensfunktion ein. Anschliessend verbleiben sie in der Regel für die Dauer des beschleunigten Verfahrens oder des Dublin-Verfahrens, höchstens jedoch 140 Tage, in einem Bundesasylzentrum (BAZ). Die Mehrheit der Entscheide wird in diesem Zeitraum gefällt. Wird ein Asylgesuch abgelehnt, verbleiben die Schutzsuchenden in der Regel in Kollektivunterkünften des Bundes, bis deren Ausreise aus der Schweiz möglich ist. Im Normalfall stehen auf Ebene Bund rund 5000 Unterbringungsplätze zur Verfügung (vgl. dazu unsere Seite «Notfallorganisation Asyl» zur Unterbringungssituation in Notlagen). Einzelne Kollektivzentren haben eine Kapazität von mehr als 350 Plätzen.
Komplexe Asylgesuche, deren Behandlung mehr Zeit beansprucht, werden den Kantonen für das sogenannte erweiterte Verfahren zugewiesen. Die Betroffenen verbringen die Zeit bis zum Entscheid oder Vollzug in kantonalen Kollektivunterkünften. Das kann bis zu einem Jahr dauern. In den Kantonen werden zudem abgewiesene Asylsuchende kollektiv untergebracht, bei denen die Wegweisung ab BAZ nicht fristgerecht möglich war. In solchen Fällen findet die Unterbringung normalerweise in Nothilfezentren statt.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMA) werden sowohl auf Ebene Bund wie Kantonen in der Regel getrennt von den Erwachsenen und geschlechtergetrennt untergebracht. UMA unter 12 Jahren leben üblicherweise in spezialisierten Einrichtungen oder in Pflegefamilien.
Die Kantone sind schliesslich für die Unterbringung und Fürsorge von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen zuständig. In einzelnen Kantonen müssen die Schutzberechtigten ebenfalls zunächst in Kollektivunterkünften bleiben, ehe sie eine eigene Wohnung beziehen und selbstbestimmt leben können.
Kollektivunterkünfte liegen oft abgelegen und beherbergen mehrere Hundert Personen. In den meisten Fällen werden diese Strukturen von privaten Anbietern wie etwa der Firma ORS oder von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Caritas oder der Stiftung Heilsarmee betrieben. Nebst den Betreuungspersonen dieser Unternehmen sind auch Sicherheitsfirmen und medizinisches Fachpersonal im Auftrag der Behörden vor Ort. In den BAZ sind zudem Mitarbeitende des Staatssekretariates für Migration SEM tätig.
Private Unterbringung
Geflüchtete Personen können auch privat untergebracht werden, entweder bei Familienmitgliedern, die bereits in der Schweiz leben, oder in Gastfamilien.
Das Modell der Unterbringung von Geflüchteten in Gastfamilien wurde 2015 von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) während der Syrienkrise erfolgreich eingeführt. Mit der Aufnahme von geflüchteten Menschen aus der Ukraine wurde es in zahlreichen Kantonen reaktiviert und weiterentwickelt. Das Modell fördert die Integration von Geflüchteten in der Mitte der Gesellschaft. Einige Kantone haben bereits Erfahrungen damit gemacht, die Unterbringung in Gastfamilien auszuweiten und für alle Geflüchteten zu öffnen.
Die Zuständigkeit für die Durchführung der Unterbringung in Gastfamilien kann entweder beim Kanton, bei den Gemeinden, bei beauftragten Hilfswerken oder bei Drittorganisationen liegen. Die Betreuung und Begleitung von Gastfamilien variiert aufgrund des föderalistischen Systems der Schweiz stark.
Dafür setzen wir uns ein
Die SFH setzt sich dafür ein, dass schutzsuchende Personen in Kollektivunterkünften menschenwürdig untergebracht sind und ihre Grundrechte gewahrt werden.
- Soziale Betreuung: In den Kollektivunterkünften leben auf engem Raum viele Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen, die oft eine traumatisierende Flucht hinter sich haben. Der Betreuung kommt in diesem Kontext eine zentrale Bedeutung zu. Es braucht geschultes Personal, das die notwendigen Kompetenzen und Erfahrungen im Umgang mit diesen Personengruppen mitbringt.
- Gewaltprävention: In Asylunterkünften kann es zu Konflikten zwischen Asylsuchenden sowie zwischen Asylsuchenden und Angestellten kommen. Seitens Behörden braucht es eine klare Kommunikation, Techniken zur Deeskalation von Konflikten sowie geeignete Massnahmen, um Gewalt vorzubeugen. Wichtig ist insbesondere die nachhaltige Schulung von Angestellten. Um Gewaltvorfällen nachzugehen, braucht es eine unabhängige Beschwerdestelle und ein entsprechendes Monitoring.
- Schutz verletzlicher Personen: Unter den asylsuchenden Personen hat es viele Kinder, allein reisende Frauen oder kranke Menschen mit schwieriger Fluchtgeschichte. Deren besondere Bedürfnisse müssen bei der Unterbringung berücksichtigt werden. Es braucht getrennte und geschützte Bereiche für Frauen, Kinder oder Familien.
- Zugang für Bevölkerung: Abgeschottete Asylzentren lösen sowohl bei den Schutzsuchenden als auch bei der Bevölkerung Unsicherheit und Furcht aus. Zahlreiche engagierte Personen würden gerne Kontakt mit Schutzsuchenden aufbauen. Dieser Austausch sollte von den Behörden explizit gefördert werden, da dies nicht zuletzt auch die Akzeptanz der Zentren und der Menschen in der Bevölkerung stärkt.
- Keine gefängnisähnlichen Zustände: Durch abgelegene Zentren werden die Grundrechte der Schutzsuchenden stark eingeschränkt: Der Gang zum Arzt wird schwierig, rigide Ordnungssysteme stärken den Haftcharakter und erschweren den Kontakt mit der Aussenwelt. Es braucht eine zeitliche Befristung der Aufenthaltsdauer, grosszügige Öffnungszeiten und regelmässige Transportmöglichkeiten. Sollten Disziplinarmassnahmen notwendig sein, so müssen diese verhältnismässig und anfechtbar sein.
- Umfassende medizinische Grundversorgung: Asylsuchende werden nur zurückhaltend über gesundheitsrelevante Themen informiert, Präventions- und Informationskonzepte sowie standardisierte Abläufe fehlen. Es braucht die ständige Anwesenheit von medizinischem Fachpersonal, der Zugang zu Fachpersonal für Menschen mit psychischen Problemen muss erleichtert werden.
Aus Sicht der SFH muss die private Unterbringung von Geflüchteten gestärkt und weiterentwickelt werden:
- Private Unterbringung erleichtern: Die private Unterbringung wirkt sich nicht nur positiv auf die Unterbringungssituation, sondern auch auf die Integration der Geflüchteten aus. Daher sollte die Unterbringung bei einem bereits in der Schweiz ansässigen Familienmitglied oder in einer Gastfamilie gefördert werden. Wenn asylsuchende Personen in der Schweiz wohnhafte Familienmitglieder haben und bei diesen wohnen möchten, sollte dies bereits zu Beginn des Asylverfahrens möglich sein.
- Private Unterbringung dauerhaft im Asylwesen verankern: Die Mehrheit der Kantone bietet mittlerweile private Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete aus der Ukraine an. Die SFH möchte auf diesem Erfolg aufbauen, die Unterbringung in Gastfamilien für alle Geflüchteten öffnen und das Gastfamilien-Modell dauerhaft im Asylsystem verankern.
- Einheitliche Standards und Abläufe bei der Unterbringung in Gastfamilien: Die Zuständigkeit für die Organisation der Unterbringung in Gastfamilien kann entweder beim Kanton, bei den Gemeinden, bei beauftragten Hilfswerken oder bei Drittorganisationen liegen. Um die Qualität der Unterbringung langfristig zu sichern, braucht es aus Sicht der SFH schweizweit einheitlich Standards sowohl für die Platzierung von Geflüchteten als auch für die Begleitung und finanzielle Entschädigung der Gastfamilien.