Dublin-Raum und DublinlÀnder
Mit dem sogenannten Dublin-System wird die ZustĂ€ndigkeit fĂŒr die Behandlung eines im Dublin-Raum gestellten Asylgesuchs bestimmt. Der Dublin-Raum besteht aktuell aus 31 Staaten: Den 27 EU-Staaten sowie vier assoziierten Staaten: Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen.
Sichere Drittstaaten
Bei Personen, die in einem anderen europĂ€ischen Staat bereits einen Schutzstatus erhalten haben, wird in der Regel nicht gemĂ€ss Dublin-Verordnung, sondern gestĂŒtzt auf bilaterale RĂŒckĂŒbernahmeabkommen nicht auf das Asylgesuch eingetreten (sog. sichere Drittstaaten-FĂ€lle).
BeitrÀge zu sicheren Drittstaaten: «Wegweisungen aus der Schweiz: Die Praxis der Migrationsbehörden gefÀhrdet Menschenrechte» auf humanrights.ch
Was wir tun
Wir setzen uns fĂŒr eine humane und verhĂ€ltnismĂ€ssige Anwendung der Dublin-Verordnung ein. Die Schweizer Behörden mĂŒssen im Einzelfall abklĂ€ren, ob die Aufnahmebedingungen im jeweils anderen Dublin-Staat den rechtlichen Vorgaben entsprechen und ob ein Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht. Wenn diesbezĂŒglich Zweifel bestehen, setzen wir uns dafĂŒr ein, dass das Asylgesuch der betroffenen Person in der Schweiz geprĂŒft wird.
Wir verfolgen die Situation in anderen Dublin-Staaten laufend und sind mit Akteuren in den jeweiligen LÀndern vernetzt. Unsere Erkenntnisse veröffentlichen wir in den Dublin LÀnderberichten.
LĂ€nderspezifische Informationen
Italien
Italien ist fĂŒr die Schweiz ein wichtiges Dublin-Land, da viele Asylsuchende ĂŒber den Seeweg und Italien in die Schweiz gelangen. In Italien bestehen jedoch aus unserer Sicht systemische MĂ€ngel im Aufnahmesystem. Insbesondere fĂŒr verletzliche Personen, die auf besondere Leistungen angewiesen sind, ist der Zugang zu adĂ€quater UnterstĂŒtzung problematisch und von ZufĂ€llen abhĂ€ngig. Die SFH rĂ€t deshalb von Ăberstellungen nach Italien ab.
Griechenland
Seit der Schliessung der Balkanroute und dem Inkrafttreten des EU-TĂŒrkei Deals ist Griechenland zur Endstation fĂŒr viele Schutzsuchende geworden. In Griechenland besteht jedoch kein funktionierendes Asylsystem. Die Lage hat sich in den letzen Jahren nochmals verschlechtert. Schutzsuchenden Menschen sowie Menschen mit Schutzstatus mangelt es an allem: UnterkĂŒnften, Nahrungsmitteln wie auch medizinischer Versorgung. Die SFH rĂ€t deshalb von der Ăberstellung sowohl asylsuchender als auch schutzberechtigter Personen ab.
Ungarn
Ungarn hat in den letzten Jahren zahlreiche GesetzesĂ€nderungen verabschiedet, die sich nicht mit internationalem Recht vereinbaren lassen. Diese gipfelten im MĂ€rz 2017 darin, dass alle Asylsuchenden wĂ€hrend ihres Verfahrens in den Transitzonen inhaftiert wurden. In der Folge appellierte UNHCR im April 2017 an die europĂ€ischen Staaten, von Ăberstellungen nach Ungarn abzusehen. Aus der Schweiz wurde seit 2018 niemand mehr unter der Dublin-Verordnung zurĂŒck nach Ungarn geschickt.
Bulgarien
Schutzsuchende haben in Bulgarien nur erschwert Zugang zum Asylverfahren. Die Anwendung von Gewalt gegenĂŒber Schutzsuchenden durch die bulgarischen Behörden verstösst gegen völkerrechtliche Verpflichtungen, insbesondere Art. 3 EMRK. Die grundsĂ€tzliche Annahme, dass Bulgarien sich an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen hĂ€lt, kann deshalb nicht aufrechterhalten werden. Die Unterbringung wie auch die medizinische und psychiatrische Betreuung sind unzureichend. Bulgarien leistet keinerlei Integrationshilfe.
Die SFH fordert, auf Ăberstellungen nach Bulgarien zu verzichten.
- Bericht Aktuelle Situation fĂŒr Asylsuchende und Personen mit Schutzstatus, die unter der Dublin-III-Verordnung oder bilateralen RĂŒckĂŒbernahmeabkommen ĂŒberstellt werden, inkl. Rechtsprechung, September 2023
- Bericht: Polizeigewalt in Bulgarien und Kroatien: Konsequenzen fĂŒr Dublin-Ăberstellungen, September 2022
- Bericht: Situation fĂŒr Asylsuchende und Personen mit Schutzstatus, 2019
Kroatien
Kroatien verstösst mit illegalen Push-Backs an der Grenze und der Anwendung von Gewalt gegenĂŒber Schutzsuchenden gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere gegen Art. 3 EMRK. Die grundsĂ€tzliche Annahme, dass Kroatien sich an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen hĂ€lt, kann deshalb nicht aufrechterhalten werden.
Die SFH fordert, auf Ăberstellungen nach Kroatien zu verzichten.
- Bericht: Rechtsprechung zum Dublin-Land Kroatien 2022, Februar 2023
- Bericht: Polizeigewalt in Bulgarien und Kroatien: Konsequenzen fĂŒr Dublin-Ăberstellungen, September 2022
- Bericht: Situation von psychisch erkrankten Asylsuchenden und Schutzberechtigten in Kroatien (EN), 2021
- Zusammenfassung des Berichts (DE) (EN) (FR) (IT)
Frankreich
Die bereits alarmierende Lage der vergangenen Jahre hat sich durch weitere Ănderungen im französischen Asylgesetz noch verschlechtert. Die aktuellen Aufnahmebedingungen, die jĂŒngst durch französische und europĂ€ische Beobachter dokumentiert wurden, sind offensichtlich nicht ausreichend, um die adĂ€quate Aufnahme von verletzlichen Personen zu gewĂ€hrleisten. Wir raten deshalb von Ăberstellungen von verletzlichen Asylsuchenden nach Frankreich ab.