AWAS – eine starke Stimme aus der Schweiz für Afghaninnen

06. März 2025

Im Dezember 2021 gründeten die zwei Betriebswirtschaftlerinnen Maryam Sediqi und Homayra Sajjadi Danishyar sowie die Ärztin Khaleda Sajjadi Maeder den Verein «Afghan Women Association Switzerland» (AWAS), was auf Farsi «Die Stimme» heisst. Die Flüchtlingsorganisation unterstützt mit Projekten sowohl Frauen in Afghanistan als auch Afghaninnen in ihrem Integrationsprozess in der Schweiz. Ein Interview mit den drei Gründerinnen.

Interview: Barbara Graf Mousa, Redaktorin SFH 

Foto: von rechts nach links: Khaleda Sajjadi-Maeder,  Maryam Sediqi, Homayra Danishyar-Sajjadi

AWAS gibt den afghanischen Frauen in der Schweiz und in Afghanistan eine Stimme. Was war der Auslöser fĂĽr die VereinsgrĂĽndung Ende 2021?  

Maryam Sediqi: Der Auslöser fĂĽr unser Engagement war die politische Veränderung durch die MachtĂĽbernahme der Taliban im August 2021. Ich wusste sofort, dass wir handeln und etwas fĂĽr die Frauen in Afghanistan und hier in der Schweiz tun mĂĽssen. Durch die Sozialen Medien und Berichte in den Medien auf mich aufmerksam geworden, kontaktierte mich Khaleda Sajjadi Maeder per Messenger. Sie hatte bereits einen Dokumentarfilm mit SRF ĂĽber Afghanistan gedreht.  

Homayra Danishyar Sajjadi: Wir haben AWAS im Dezember 2021 gegrĂĽndet, um auf die Gender-Apartheid und die systematische Ausgrenzung von Frauen in Afghanistan aufmerksam zu machen. Nach der MachtĂĽbernahme der Taliban wurden Frauen aus Bildung, Arbeit und dem öffentlichen Leben ausgeschlossen. AWAS setzt sich dafĂĽr ein, ihre Stimme zu stärken und ihnen Perspektiven zu geben – fĂĽr ein Leben in WĂĽrde und Gleichberechtigung.  

Khaleda Sajjadi Maeder: Als Ă„rztin, geboren in Afghanistan und aufgewachsen in der Schweiz, sehe ich mit grosser Sorge, wie Frauen in Afghanistan von Bildung, Arbeit und medizinischer Ausbildung ausgeschlossen werden. Die Taliban verwehren ihnen diese grundlegenden Rechte, wodurch der Zugang zu weiblichem Gesundheitspersonal stark eingeschränkt ist.  

Sind die Frauen in Afghanistan deshalb medizinisch unterversorgt? 

Khaleda Sajjadi Maeder: Ja, leider. Oft erhalten Frauen keine medizinische Hilfe, da kulturelle Normen die Behandlung durch männliche Ă„rzte verbieten. Dies fĂĽhrt zu hohen Raten von MĂĽttersterblichkeit und unbehandelten Krankheiten. Ohne Zugang zu Bildung gibt es keine Perspektive fĂĽr weibliche Fachkräfte, um diese VersorgungslĂĽcke zu schliessen. Die Gesundheit von Frauen wird zunehmend vernachlässigt, was nicht nur ihr Leben, sondern die gesamte Gesellschaft gefährdet. 

Was tut AWAS fĂĽr die Frauen und die Gesellschaft in Afghanistan? 

Maryam Sediqi: Homayra Sajjadi Danishyar schrieb die Statuten, ich kĂĽmmerte mich um das Vereinskonto, und am 13.12.2021 hatten wir unser erstes offizielles Treffen in Bern. Wir planten von Anfang, ein Projekt in Afghanistan zu starten, das Frauen eine nachhaltige finanzielle Perspektive bietet. GlĂĽcklicherweise hat der Bund beschlossen, afghanische Frauen in der Schweiz aufzunehmen – eine grossartige Nachricht, die uns sehr freut. 

Homayra Danishyar Sajjadi: Wir haben in Kabul ein Nähstudio gegrĂĽndet, um aktiv gegen Arbeitslosigkeit und die Ausgrenzung von afghanischen Frauen vorzugehen. Sie erlernen das Nähen und können durch den Verkauf ihrer Produkte ein eigenes Einkommen erzielen. Jede Frau sollte die Möglichkeit haben, ihre Ziele und Träume zu verwirklichen – insbesondere in ihrer eigenen Heimat. Als AWAS möchten wir nicht nur ihre Stimme im Ausland vertreten, sondern auch direkt vor Ort in Afghanistan hörbar machen. Gemeinsam setzen wir ein Zeichen fĂĽr Hoffnung, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.  

Wo liegt der Fokus von AWAS in der Schweiz? 

Maryam Sediqi: Wir bieten Beratungen und Vernetzungsanlässe an, fĂĽhren jedoch keine aufsuchende Arbeit durch – die Frauen treten von sich aus mit uns in Kontakt. Was wir hingegen aktiv tun, ist durch Reden bei Veranstaltungen, Teilnahme an Podiumsdiskussionen und Interviews Aufmerksamkeit zu schaffen. So sensibilisieren wir die Ă–ffentlichkeit in der Schweiz fĂĽr die Situation afghanischer Frauen in Afghanistan.  

Bietet Ihr spezielle Anlässe, die allen Frauen offen stehen?  

Maryam Sediqi: Mit der «Ladies Night» möchten wir Frauen stärken, ihnen einen Raum geben, in dem sie sich vernetzen und als Community zusammenkommen können. Im Februar haben wir zudem NGOs, Organisationen und Behörden zu einem Networking-Event eingeladen, um im Bereich Integration Synergien zu schaffen, Kooperationen zu fördern und Ressourcen aufzubauen. 

Es gibt ja bereits zahlreiche afghanische Gemeinschaften. Arbeitet Ihr zusammen?  

Maryam Sediqi: Genau darin liegt eines der Hauptprobleme: Viele afghanische Vereine in der Schweiz existieren nebeneinander, arbeiten jedoch nicht direkt zusammen. Bei AWAS möchten wir genau das fördern – Zusammenarbeit und Synergien schaffen. Denn gemeinsam können wir viel mehr erreichen, und das stärkt zugleich die afghanische Diaspora in der Schweiz und trägt zu ihrem Empowerment bei. 

Welche Rolle spielt fĂĽr AWAS die Förderung von Kunst und die Kultur? 

Khaleda Sajjadi Maeder: Eine sehr wichtige! In Afghanistan verlieren die Frauen nicht nur ihre Rechte auf Bildung, sondern auch den Zugang zur Kunst. Die afghanische Dichtkunst, die sich ĂĽber Jahrtausende bis zu Mawlana [anderer Name fĂĽr den Gelehrten und Sufi-Meister Rumi, Anm. d. Red.] zurĂĽckverfolgen lässt, ebenso wie der Gesang, die Musik und die darstellende Kunst, drohen in Afghanistan zu verschwinden. Ein wichtiger Aspekt der Arbeit von AWAS ist es, genau diese kulturellen Werte zu fördern und zu unterstĂĽtzen. Da es in Afghanistan derzeit unmöglich ist, solche Aktivitäten zu verfolgen, ist es umso bedeutender, dass diese kĂĽnstlerischen und kulturellen Ausdrucksformen in der Schweiz erhalten und weitergegeben werden. FĂĽr 2025 planen wir Konzerte, Portrait-Ausstellungen und weitere kulturelle Veranstaltungen.  

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