Kritik an der Schweiz wegen der Wegweisung von Frauen, die Opfer von Gewalt wurden

06. August 2025

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) hat die Schweiz wegen ihrer Entscheidungen verurteilt, Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt wurden, ohne ausreichende individuelle Prüfung ihrer Lage nach Griechenland und Italien zurückzuschicken. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsst die Entscheide des CEDAW. Sie bestätigen ihre langjährige Kritik an der Behandlung von weiblichen Asylsuchenden sowie an der Anwendung der Dublin-Verordnung durch die Schweizer Behörden, welche die persönliche Situation schutzbedürftiger Personen nicht ausreichend berücksichtigt.

In drei aktuellen Entscheiden hat der UN-Ausschuss fĂĽr die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) die Schweiz verurteilt, weil sie die Wegweisung von Frauen, die Opfer verschiedener Formen geschlechtsspezifischer Gewalt wurden, nach Griechenland und Italien anordnete. 

In den drei Entscheiden hebt der Ausschuss insbesondere zwei problematische Aspekte des Asylverfahrens in der Schweiz hervor. Der erste betrifft die Tendenz der Schweizer Behörden, die Glaubhaftigkeit von Opfern sexualisierter Gewalt anzuzweifeln, wenn ihre Aussagen als «verspätet» gelten, d.h. nach Beginn des Verfahrens gemacht wurden. In diesem Zusammenhang erinnert der CEDAW daran, dass Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt oft grosse Schwierigkeiten haben, ĂĽber die ihnen widerfahrenen Misshandlungen zu berichten. Eine verspätete Aussage könne daher nicht allein aus diesem Grund als unglaubhaft angesehen werden. 

Die weitere vom Ausschuss aufgeworfene Problematik betrifft den Mechanismus der sogenannten «Dublin»- oder «sichere Drittstaaten»-Wegweisungen. Dieser Mechanismus ermöglicht es der Schweiz, eine Person in ein anderes europäisches Land zurĂĽckzuschicken, in dem ihr Asylverfahren noch läuft oder in dem sie bereits einen internationalen Schutzstatus erhalten hat. Nach Ansicht des CEDAW muss fĂĽr Frauen, die Opfer schwerer Misshandlungen, geschlechtsspezifischer Gewalt oder von Menschenhandel geworden sind, eine umfassende traumainformierte und geschlechtssensible IndividualprĂĽfung ihrer Situation erfolgen – insbesondere im Hinblick auf das Risiko eines «irreparablen Schadens» (d.h. einer erneuten schweren Verletzung ihrer Menschenrechte), wenn sie tatsächlich in das betreffende Land zurĂĽckgeschickt werden. Vor einer Wegweisung sei auch sicherzustellen, dass Opfer sexualisierter Gewalt in dem Land Zugang zu medizinischer und psychologischer Behandlung sowie zu Rehabilitationsmassnahmen haben. 

Die SFH hofft, dass die Schweizer Behörden den Empfehlungen des Ausschusses nachkommen und Einzelfälle vertieft prĂĽfen werden, um eine humanere und respektvollere Behandlung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt zu gewährleisten. 

Die Fälle wurden von der Anwältin Stephanie Motz und AsyLex sowie von der Anwältin Raffaella Massara mit UnterstĂĽtzung von Studierenden der Law Clinic der Universität Bern vertreten. Die Entscheide des CEDAW (Nr. 169/2021, 171/2021 und 172/2021) sind hier veröffentlicht. 

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