Türkischen Asylsuchenden drohen unfaire Strafverfahren in ihrer Heimat

12. September 2024

Die Türkei liegt in der Schweiz seit einigen Jahren auf Platz zwei der wichtigsten Herkunftsländer von Asylsuchenden. Der Anteil der Personen, die in der Schweiz Asyl erhalten, sinkt dagegen kontinuierlich. Dies wirft Fragen auf, denen eine aktuelle, von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) mitfinanzierte Studie nachgeht.

Viele der aus der Türkei stammenden Asylsuchenden bringen vor, dass Strafverfahren gegen sie eingeleitet wurden, die politisch motiviert sind. Die Frage, ob diese Menschen bei einer Rückkehr ein rechtsstaatliches und faires Strafverfahren erwarten dürfen, ist deshalb wichtig für Behörden und Rechtsvertretende, um beurteilen zu können, ob sie schutzbedürftig sind. Angesichts der stark sinkenden Anerkennungsquote stellt sich auch die Frage, ob im türkischen Justizsystem positive Entwicklungen hin zu einer stärkeren Rechtsstaatlichkeit beobachtet werden können.

Studie zu Rechtsstaatlichkeit

Diesen Fragen geht eine von PRO ASYL in Auftrag gegebene und von zwei türkischen Expert*innen verfasste Studie nach; konkret, ob in der Türkei Rechtsstaatlichkeit bei politisch motivierten Strafverfahren beobachtet werden kann. Die SFH hat die Studie finanziell und inhaltlich unterstützt.

Unfaire Strafverfahren

Die Ergebnisse sind ernüchternd. Die Studie kommt zum Schluss, dass Strafverfolgung in der Türkei sehr wohl dazu eingesetzt wird, regierungskritisches Handeln zu verhindern. So wird etwa der Vorwurf, Straftaten im Bereich des «Terrorismus» begangen zu haben, willkürlich erhoben. Strafverfahren mit diesen Anschuldigungen verlaufen in der Regel nicht rechtsstaatlich. Die Ursache dafür ist eine Justiz, die nicht unabhängig ist und stark von der Regierung beeinflusst wird. Zudem sind gesetzliche Bestimmungen vage gehalten und erlauben eine zu breite Interpretation durch die türkischen Gerichte und Behörden bezüglich des Straftatbestands «Terrorismus», respektive der Mitgliedschaft in einer «terroristischen» Gruppierung. Die Verfahren verlaufen oft unfair, es werden fabrizierte Beweise oder sogenannte Geheimzeug*innen eingesetzt. Zudem ignorieren untere Instanzen in der Praxis die Vorgaben höherer Gerichte. Eine effektive Rechtsverteidigung der Betroffenen wird dadurch erschwert oder unmöglich gemacht.

Besonders problematisch ist, dass nicht vorhersehbar ist, welches Verhalten zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen kann. Personen, die sich politisch betätigen, sich öffentlich äussern oder an Versammlungen teilnehmen, müssen praktisch immer damit rechnen, dass eine andere Person ihren Namen als Teil einer kriminalisierten Gruppierung nennt. Jede politische Handlung kann von den Behörden als Handlung in Zusammenhang mit einer solchen Gruppierung gewertet werden, sei dies ein Beitrag im Internet, der Besitz eines bestimmten Buchs oder die beabsichtigte Teilnahme an einer bestimmten Versammlung.

Beitrag zu fairem Asylverfahren

Die SFH kommt in ihren eigenen Länderrecherchen zur Türkei zu ähnlichen Schlüssen wie die Studie von PRO ASYL. Letztere soll zu fairen Verfahren für türkische Asylsuchende beitragen, indem alle daran beteiligten Akteurinnen und Akteure Zugang zu umfassenden Informationen zum Thema haben.