Filippo Grandi, UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, ist zutiefst besorgt über die Sicherheit und das Wohlergehen eritreischer Flüchtlinge in Äthiopien, die in den Konflikt in der Region Tigray verwickelt sind. UNHCR und humanitäre Partner hätten seit über einem Monat keinen Zugang zu den vier eritreischen Flüchtlingslagern in Tigray, was die Sicherheit und das Überleben der Flüchtlinge stark gefährden würde. Die am 11. Dezember 2020 gemachten Aussagen von Filippo Grandi, sind deutlich und lassen Schlimmes erahnen. Der Konflikt zwischen der Volksbefreiungsfront von Tigray (Tigray People's Liberation Front TPLF) – die herrschende Partei der Tigray-Region an der Grenze zu Eritrea – und der Zentralregierung in Äthiopien bedroht sowohl eritreische wie äthiopische Schutzsuchende. Die USA bestätigen dieser Tage die zahlreichen Berichte von Hilfsorganisationen und aus diplomatischen Quellen, wonach eritreische Truppen in der Tigray Region auf der Seite der äthiopischen Streitkräfte kämpfen. Sie schätzen diese weitere Entwicklung als gefährlich ein. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hat Mitte November informiert und eine Sistierung von Zwangsausschaffungen nach Äthiopien gefordert.
Ein Sicherheitsteam der Vereinten Nationen, das die Situation der Schutzbedürftigen aus Eritrea im äthiopischen Flüchtlingslager Shimelba nahe der eritreischen Grenze beurteilen wollte, wurde von äthiopischen Streitkräften beschossen. Abgesehen vom Internationalen Roten Kreuz IKRK scheinen aktuell keine internationalen Organisationen mehr in der Tigray Region zu sein; sowohl eritreische Geflüchtete, wie auch grosse Teile der äthiopischen Zivilbevölkerung, darunter viele Frauen und Kinder, sind ohne Schutz, Nahrungsmittel und Medizin.
Gravierende Verstösse gegen Völkerrecht
Sie hätten im vergangenen Monat eine überwältigende Anzahl beunruhigender Berichte erhalten, wonach eritreische Flüchtlinge in Tigray getötet, entführt und gewaltsam nach Eritrea zurückgebracht worden wären, berichtet UN-Hochkommissar Filippo Grandi zudem, und würde sich dies bestätigen, wäre dies ein schwerwiegender Verstoss gegen das Völkerrecht.
Die äthiopische Regierung hat dem UNHCR und seinen Partnerorganisationen in einem Abkommen am 29. November 2020 zugesichert, einen humanitären Zugang zu von der äthiopischen Zentralregierung kontrollierten Gebieten in der Tigray-Region zu garantieren. Der EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarčič, schätzt das Abkommen zwischen der UNO und Äthiopien zur humanitären Hilfe als wenig effizient sei, da es keinen Zugang zu anderen Gebieten in Tigray biete. Für Helferinnen und Helfer vor Ort ist ein sicherer und ungehinderter Zugang zu den rund 96'000 eritreischen Geflüchteten in den vier äthiopischen Lagern Hitsats, Mai-Aini, Adi-Harush und Shimelba (noch) nicht gewährleistet.
Inzwischen hat die sudanesische Regierung knapp 50'000 Schutzsuchende aus der Tigray-Region aufgenommen. Filippo Grandi fordert die internationale Gemeinschaft auf, ihre Unterstützung für die humanitäre Hilfe zu erhöhen. Täglich erreichen hunderte eritreische und äthiopische Schutzsuchende erschöpft und traumatisiert die Lager im Sudan. Die Hilfsgüter werden knapp.
Angesicht dieser humanitären Tragödie hält die SFH an der im November 2020 gemachten Forderung fest: Bei Entscheiden über Asylgesuche von Geflüchteten aus Äthiopien und Eritrea soll die sich kontinuierlich verschlechternde Sicherheitslage in der Region unbedingt berücksichtigt und keine Zwangsausschaffungen nach Äthiopien vollzogen werden.