Ukrainekrieg: Erfolge und Herausforderungen in der Krisenbewältigung

24. August 2022

Heute vor 6 Monaten ist der Krieg in der Ukraine ausgebrochen. Millionen von Menschen sind seither geflüchtet, Zehntausende von ihnen in die Schweiz. Die Schweiz hat die damit verbundenen Aufgaben bisher gut gemeistert, es bleiben aber auch Herausforderungen: Der Status S muss weiterentwickelt werden, es braucht weiterhin nachhaltige Lösungen im Bereich der Unterbringung und einheitlichere Regeln zwischen den Kantonen.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die grösste Fluchtbewegung in die Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Die Schweiz hat diese enorme Herausforderung bisher sehr gut gemeistert. Mit der Einführung des Schutzstatus S wurde ein Weg gefunden, den Betroffenen rasch und unkompliziert Schutz zu gewähren. Auch im Bereich der Unterbringung wurden rasch und unbürokratisch Lösungen gefunden, so dass jede Person umgehend ein Dach über dem Kopf hatte. Bund, Kantone, Gemeinden, Hilfswerke und auch Freiwillige arbeiteten und arbeiten in der Krise eng und vorbildlich zusammen. Gleichzeitig bestehen insbesondere bei der Umsetzung in den Kantonen noch Herausforderungen, so etwa bei der Arbeitsmarktintegration, der Einschulung von Kindern sowie der psychologischen Unterstützung.

Schutzstatus S gezielt weiterentwickeln

Auch beim Schutzstatus S erkennt die SFH ein halbes Jahr nach dessen Einführung Verbesserungsbedarf. Dieser ist gezielt weiterzuentwickeln. So sind etwa die Reisefreiheit und Gewährung eines Integrationsbeitrags generell für den Schutzstatus S zu verankern. Integrationsmassnahmen sind unerlässlich für das Zusammenleben, nicht nur aus Sicht der Betroffenen, sondern auch für Kantone, Städte und Gemeinden. Verbesserungspotenzial gibt es auch im Umgang mit vulnerablen Personen wie unbegleiteten Minderjährigen sowie Opfern oder potenziellen Opfern von Menschenhandel. Bei der Prüfung von Gesuchen von Drittstaatsangehörigen ist eine sorgfältige Abklärung im Einzelfall sowie der Zugang zu unabhängiger rechtlicher Beratung wichtig. Dazu ist die Rolle der Rechtsberatungsstellen und die Finanzierung der Aufgaben, die diese im Zusammenhang mit dem Status S übernehmen, zu klären.

Und schliesslich gilt auch rund ein halbes Jahr nach Einführung des Status S: Dessen Ausgestaltung bildet eine Ungleichbehandlung gegenüber vorläufig Aufgenommenen, insbesondere in Bezug auf den Familiennachzug und die Reisefreiheit. Die Ansätze in der Sozialhilfe sind sowohl für Personen mit Status S als auch vorläufig Aufgenommene zu tief. Die SFH fordert deshalb seit Kriegsbeginn dieselben grosszügigen Statusrechte für sämtliche Schutzberechtigten in der Schweiz, unter anderem in ihrem kürzlich veröffentlichten Positionspapier zur Ersetzung der vorläufigen Aufnahme durch einen positiven Schutzstatus.

Die detaillierten Empfehlungen der SFH zur Umsetzung und Weiterentwicklung des Schutzstatus S finden sich auf ihrer Webseite.

Unterbringung: Gastfamilien als Modell verankern

Auch im Bereich der Unterbringung gingen und gehen Bund, Kantone, Gemeinden und Hilfswerke neue Wege. Stand Juli 2022 waren knapp 60% der Geflüchteten bei Gastfamilien untergebracht. Die Privatunterbringung leistet damit einen unverzichtbaren Beitrag zur Krisenbewältigung. Gastfamilien tragen auch zur Förderung des Spracherwerbs und zur sozialen Integration der Geflüchteten und damit auch zur Entlastung der Behörden bei. Sie stellen aber gleichzeitig auch eine neue Anspruchsgruppe dar, die eine intensive Begleitung erfordert. Aus Sicht der SFH wäre es daher wünschenswert, wenn es für die dafür zuständigen Kantone und Gemeinden schweizweit einheitliche Standards gäbe, auch bezüglich Entschädigung der Gastfamilien.

Die SFH hat das Bundesmandat zur Platzierung Geflüchteter aus der Ukraine in Gastfamilien erhalten. Insbesondere wegen der grossen Anzahl an Geflüchteten war der Projektstart eine Herausforderung. Mit der Mehrheit der Kantone hat die SFH aber inzwischen massgefertigte Lösungen gefunden. Das ist ein grosser Erfolg für die private Unterbringung im Asylwesen. Die SFH setzt sich deshalb dafür ein, das Gastfamilienprojekt auch für andere Flüchtlingsgruppen zu öffnen und zu etablieren. In einigen Kantonen, wie etwa Basel-Stadt, der Waadt oder Schaffhausen war das in den vergangenen Jahren möglich. Andere Kantone denken inzwischen in dieselbe Richtung.

Gemäss SEM sind bis Ende Jahr bis zu 120'000 Geflüchtete aus der Ukraine in der Schweiz zu erwarten. Klar ist: Gastfamilien werden bei deren Unterbringung weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Es ist aber davon auszugehen, dass es daneben, zusätzlich zu den Wohnungen, welche Kantone und Gemeinden anmieten, Kollektivstrukturen bis hin zu Containerdörfern und Zeltlagern in Hallen brauchen wird. Die SFH beobachtet dies mit Sorge und fordert Mindeststandards bei Kollektivstrukturen, insbesondere wenn die Menschen über mehrere Monate in diesen Strukturen leben sollen.

Eine detaillierte Einschätzung des Gastfamilienprojekts, der Zusammenarbeit mit den Kantonen und der weiteren Entwicklung der Unterbringungssituation findet sich im aktuellen «Fluchtpunkt»-Interview mit der Direktorin der SFH, Miriam Behrens.