Schweizer Bundesversammlung

Wahlen 2023: Für welche Asylpolitik sich die Parteien einsetzen

21. September 2023

Die Schweiz wählt am 22. Oktober die neue Bundesversammlung. Wie positionieren sich die sieben wählerstärksten Parteien in Partei- und Wahlprogrammen zu Flucht, Asyl und Integration? Welche Asylpolitik wollen sie und welche Lösungen bieten sie? Unser kleiner Parteiencheck gibt den Überblick: Grüne und SP setzen sich am stärksten für eine solidarische Schweiz, einen wirkungsvollen Flüchtlingsschutz und Integration ein, SVP und FDP verfechten eine restriktive Asyl- und Flüchtlingspolitik.

Sozialdemokratische Partei (SP)

Die SP möchte, dass die Schweiz ein sicherer Ort für Menschen auf der Flucht ist und sich für die Bekämpfung von Fluchtursachen einsetzt. Sie setzt sich für Gleichbehandlung von Schutzsuchenden ein und unterstützt dazu die Einführung eines humanitären Schutzstatus für alle Vertriebenen, welche die Kriterien für die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus nicht erfüllen. Sie fordert gleiche Sozialhilfesätze für alle unabhängig vom Aufenthaltsstatus, wirksamere Integrationsmassnahmen, Reisefreiheit und das Recht auf sofortigen Familiennachzug. Eine Aufenthaltsbewilligung soll nach fünf Jahren gewährt werden. Die SP setzt sich weiter für ein progressiveres Einbürgerungsrecht ein, das möglichst vielen Menschen die demokratische Teilhabe ermöglicht. Ausserdem fordert sie, dass die Schweiz europäisch koordiniert mehr Kriegs- und Krisengeflüchtete aufnimmt. Das Schengen/Dublin-Assoziierungsabkommen will die SP «trotz Kritik an der aktuellen Flüchtlingspolitik der EU» weiterführen, sich jedoch «zusammen mit Verbündeten für die dringende Reform des Abkommens stark machen».

Die Grünen

Die Grünen wollen eine Politik, die «sichere Wege der Migration eröffnet und denjenigen Schutz bietet, welche ihn brauchen». Sie fordern u.a. den Ersatz des Status F durch einen humanitären Schutzstatus, die kollektive Regularisierung von Sans-Papiers und eine existenzsichernde Sozialhilfe für Menschen mit negativem Asylentscheid. Die Partei will die berufliche Integration von Geflüchteten fördern, indem die Bewilligungspflicht für die Erwerbstätigkeit von Asylsuchenden aufgehoben wird, Aus- und Weiterbildungen gefördert werden und auch abgewiesenen Asylsuchenden eine Arbeitserlaubnis erteilt wird. Die «Festung Europa» lehnen die Grünen ab und fordern die Schaffung eines Straftatbestands «Push-Back». Sie fordern eine «grosszügige» Schweiz bei der Verteilung von humanitären Visa und Resettlement-Kontingenten, wollen das Botschaftsasyl wieder einführen und u.a. Flucht aufgrund der negativen Folgen des Klimawandels sowie Verfolgung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung als Asylrechtsgründe anerkennen.

Grünliberale Partei (GLP)

Die GLP plädiert für «eine verantwortungsvolle und vorausschauende Zuwanderungspolitik zur Stärkung unserer Wirtschaft im Einklang mit unserer humanitären Tradition». Sie legt Wert auf rasche Asylverfahren, «um den Schutz und die Sicherheit der Asylsuchenden zu gewährleisten». Dies diene auch der Verhinderung von Missbrauch des Asylsystems. Die GLP fordert den konsequenten Vollzug bei negativem Asylentscheid und dazu mehr Rückübernahmeabkommen. Sie unterstützt einen Ersatz der vorläufigen Aufnahme durch einen humanitären Schutzstatus. Die GLP befürwortet Anreize zur Förderung der Integration, fordert dabei aber einen «klaren Willen zur Integration und Leistungsbereitschaft zur Erreichung eines eigenständigen Lebens ohne Hilfe des Staates». Sie begrüsst die Reformpläne der EU «zu neuen Asylverfahren an den Aussengrenzen und mehr Solidarität unter den Mitgliedstaaten»; die Durchführung von Asylprozessen in Zentren ausserhalb Europas lehnt sie ab. Die GLP fordert, die Kontingente der Resettlement-Programme zu erhöhen und auszuschöpfen.

Evangelische Volkspartei (EVP)

Für die EVP beginnt Migrationspolitik bei der Entwicklungszusammenarbeit: «Eine gerechtere Welt und eine wirksame Armutsbekämpfung helfen, Migration zu vermeiden.» Wer ein Asylgesuch stellt, habe Anspruch auf ein korrektes und rasches Verfahren. Verfolgten müsse Schutz gegeben werden: Das «gilt ganz besonders für Christen, die in ihrer Heimat durch Staat und Gesellschaft Repressionen aller Art ausgesetzt sind». Sie will raschere Asylverfahren (maximal sechs Monate), wobei der Rechtsschutz gewährleistet sein müsse. Sie fordert «menschliche Entscheidungen» in Härtefällen und Aufenthaltsbewilligungen für langjährige Sans-Papiers. Weiter setzt sie sich «unter klar geregelten Bedingungen» für die private Unterbringung ein. Die Integration von Ausländer*innen mit Aufenthaltsrecht soll gefördert und gefordert werden. Die EVP plädiert für eine «faire Aufteilung» der Erstgesuche auf alle Dublin-Staaten und die Aufnahme eines jährlichen Kontingents von mindestens 500 Flüchtlingen ausserhalb des normalen Asylverfahrens.

Die Mitte

Die Mitte lehnt sowohl vollständig offene Grenzen als auch eine komplette Abschottung ab. Sie plädiert für eine «ehrliche» Migrationspolitik, welche «menschlich und bestimmt» ist und «die humanitäre Tradition der Schweiz hochhält». Dies bedeute, «hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen, ohne dabei missbräuchliches Verhalten gutzuheissen». Die Mitte will, dass effektiv verfolgten und schutzbedürftigen Personen Asyl gewährt wird. Sie fordert aber auch schnellere Asylverfahren, damit Menschen, die kein Recht auf Asyl in der Schweiz haben, rascher in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Die Mitte fordert weiter ein niederschwelliges Bildungsangebot, da «gerade das Beherrschen einer Landessprache ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine gelungene Integration ist». Die Mitte steht für ein strenges Bürgerrechtsgesetz, zumal sie in Einbürgerungen den «Abschluss einer erfolgreichen Integration» sieht. Schliesslich fordert die Partei die «aktive Verhinderung von Parallelgesellschaften, damit wir weiterhin in einer offenen und toleranten Gemeinschaft leben».

Die Liberalen (FDP)

Die FDP sieht Migrationspolitik primär in einem Konnex zur Wirtschaft: Sie ist gegen die «unkontrollierte Zuwanderung von Armuts- und Wirtschaftsflüchtlingen», will die «Einwanderung in die Sozialsysteme» unterbinden und «kostspieligen Familiennachzug» nur unter strengen Bedingungen gewähren. Das Drittstaaten-Kontingentsystem müsse reformiert werden, um besser auf die «Bedürfnisse der Schweizer Wirtschaft und spezifisch der Jungunternehmen» einzugehen. Die FDP fordert die «konsequente Durchführung» von Dublin-Überstellungen und befürwortet Reformen des europäischen Systems «zur Sicherung des menschenrechtskonformen Aussengrenzschutzes, zur Einhaltung der europäischen Rückführungsrichtlinien und zur Entwicklung eines fairen Verteilschlüssel». Die Förderung der freiwilligen Rückkehr müsse vorangetrieben und weitere Rücknahmeabkommen abgeschlossen werden; «nicht kooperativen» Herkunftsländern sollen unter anderem Entwicklungshilfen gekürzt werden. Resettlement-Programme sollen «nur bei möglichen Kapazitäten» bewilligt werden.

Schweizerischen Volkspartei (SVP)

Die SVP steht für eine äusserst restriktive Asylpolitik, die auf Angst und Abschottung beruht. Sie fordert, dass abgewiesene Asylsuchende nur noch das «Lebensnotwendige» erhalten und dass Asylsuchende, Sans-Papiers und vorläufig Aufgenommene in einer separaten Krankenkasse mit reduzierten Leistungen versichert werden. Die SVP verlangt von den europäischen Staaten die «konsequente» Anwendung von Schengen und Dublin, zugleich aber auch die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in der Schweiz. Weiter fordert sie die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten oder geschlossene Zentren in Transitzonen an der Schweizer Grenze, «damit Asylmigranten gar nicht Schweizer Boden betreten können». Zudem will die Partei, dass Personen aus sicheren Drittstaaten keine Asylgesuche mehr in der Schweiz stellen können. Sie fordert, die Teilnahme an Resettlement-Programmen einzustellen, und will die Entwicklungshilfe «vollständig in den Dienst der Migrationspolitik» stellen und an die Rücknahme von abgewiesenen Asylsuchenden koppeln.

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