Artikel und Fotos von Barbara Graf Mousa, Redaktorin SFH
Die Mischlingshündin Djoubi trottet dem Geschäftsführer hinterher, der herzlich grüsst und die Besucherinnen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe SFH in den ersten Stock bittet. Daniel Ziegler verkörpert das Motto der VEBO Genossenschaft «sympathisch, nah und professionell» in Person und leitet seit 15 Jahren die Geschäfte von VEBO Solutions am Hauptsitz in Zuchwil. Während sich die pelzige Rentnerin auf dem Sitzungszimmerboden ausstreckt und ein Nickerchen macht, erläutert ihr Herr das Schul- und Bildungszentrum der VEBO, die sogenannte VEBO Universität. Seit zwei Jahren bucht VEBO Solutions die mehrtägigen SFH-Bildungsangebote «Transkulturelle Kompetenz» und «Migration und Trauma» mit Psychotherapeut Dr. phil. Naser Morina. Für das Interview nehmen sich neben dem Geschäftsführer auch René Giovannone, Leiter Montage/Integration und Teamleiterin Cornelia Ziegler Zeit. Sie berichten, wie sie das Gelernte in ihrem Berufsalltag umsetzen können.
Aus welchen Gründen bucht VEBO Solutions die SFH-Bildungsangebote?
Daniel Ziegler, Geschäftsführer von VEBO Solutions erklärt: «Wir haben zunehmend traumatisierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur mit Flucht- oder Migrationshintergrund in unseren Werkstätten. Damit wir auch diesen Menschen Integrationsprogramme für den Arbeitsmarkt anbieten können, die vom Kanton und den Gemeinden finanziell unterstützt werden, dürfen unsere Betreuungspersonen eine Weiterbildung im Bereich Migration und Trauma besuchen. Der berufliche Umgang mit Migrantinnen und Migranten erfordert ein erweitertes Wissen über die Gesetzeslage, über die Rechte und Pflichten von Ausländerinnen und Ausländern oder Geflüchteten, über ihre Herkunftsländer sowie über die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit. Die Kursinhalte helfen, Vorurteile abzubauen und vermitteln den Teilnehmenden Sicherheit im Umgang mit herkunftsbezogenen Herausforderungen und mit traumatisierten Menschen. Wir sind übrigens im Kanton Solothurn die einzige Firma, die Arbeitsplätze für Traumatisierte anbietet.»
Das bedeutet, dass bei VEBO Solutions auch geflüchtete Menschen arbeiten?
Daniel Ziegler und René Giovannone, Leiter Montage/Integration präzisieren: «Der Kanton hat VEBO Solutions 2018 bevollmächtigt, Programme zur Integration in den Arbeitsmarkt durchzuführen. Diese Programme können Personen aus der Regelsozialhilfe und aus der Asylsozialhilfe besuchen. Von 130 Beschäftigen und Programmteilnehmenden haben etwa ein Drittel einen Migrationshintergrund.»
Das SFH-Angebot Transkulturelle Kompetenz für zwei Tage scheint als Weiterbildung für Ihre Teams geeignet zu sein – aus welchen Gründen?
Daniel Ziegler: «Der SFH-Fachreferent hat eine hohe, überzeugende Sozialkompetenz, der hat das super gemacht und konnte unsere Teams und Führungskräfte begeistern. Das führte zu guten Dialogen und einem intensiven Austausch zwischen den Kursteilnehmenden und den Referenten. Dazu die Livegeschichte einer geflüchteten Person, die alles selber erlebt hat, das hinterlässt einen tiefen Eindruck.»
Cornelia Ziegler berichtet von ihrem Arbeitsalltag als Teamleiterin: «Die Kursteilnehmerinnen und –teilnehmer sind interessiert und aufmerksam, wenn Direktbetroffene erzählen und Auskunft geben. Wir alle haben viel Neues erfahren. Zum Beispiel, dass Asylsuchende kaum den Kanton wechseln dürfen, dass sie während der Verfahren viele Einschränkungen haben und es deshalb schwierig für sie ist, neue Kontakte oder eine Arbeit zu finden.»
René Giovannone ergänzt: «Die Kursbesucherinnen und –besucher schätzen das persönliche Gespräch sehr. Die Atmosphäre ist entspannt; so trauen sie sich zu, nachzufragen und zu thematisieren, was sie wirklich beschäftig und wo sie nicht weiterkommen. Diese Weiterbildung vermittelt ihnen Sicherheit im Umgang mit ihren gemischten Teams.»
Unterrichten im Teamteaching von SFH und VEBO: Was ist das genau und welche Vorteile bringt es Ihrer Ansicht nach?
Daniel Ziegler: «Teamteaching passiert bereits vor dem Kurs. Wir bereiten die Weiterbildung gemeinsam vor und transferieren die Kursinhalte einer gesamtschweizerischen Organisation wie die SFH in die Kultur und Sprache der VEBO. Die VEBO spezifische Bedürfnisse werden im Vorfeld besprochen und fliessen als Beispiele ein in die Weiterbildung. Diese Brückenbildung zwischen Theorie und Praxis trägt viel dazu bei, dass die Kursteilnehmenden von der Weiterbildung in ihrem Arbeitsalltag profitieren.»
Die SFH kombiniert für Sie das Weiterbildungsprogramm Transkulturelle Kompetenz mit Teilen spezifisch zum Thema Traumata. Warum ist dieses kombinierte Angebot für Sie interessant?
Daniel Ziegler: «Die Kombination ist für unsere Bedürfnisse ideal: Wir erhalten zuerst allgemeine Informationen über Migration und Flucht. Dann erfahren wir von einer Flüchtlingsperson, welche Auswirkungen die Flucht auf einen Menschen haben kann. Anschliessend lernen wir Praktiken für einen Umgang mit traumatisierten Menschen.»
René Giovannone: «In unseren Werkstätten arbeiten auch einige Menschen, die aus anderen Gründen traumatisiert und psychisch beeinträchtigt sind, zum Beispiel wegen Misshandlungen in der Kindheit, Entwurzelung und Vernachlässigung als Heimkind. Viele haben kaum einmal Wertschätzung und Anerkennung erfahren. Wenn jemand nie spricht oder plötzlich eine Arbeit verweigert oder eine bestimmte Person im Team ablehnt, dann hilft uns die Weiterbildung, um solche Reaktionen besser verstehen und einordnen zu können.»
Bei einem Rundgang durch die Montage erzählt Cornelia Ziegler über ihre Erfahrungen mit einer traumatisierten geflüchteten Frau: «Oft gaben uns die Kursleitenden den Rat, unsere Ideen einfach mal auszuprobieren und genau zu beobachten, wie die Menschen reagieren. Ich fand einen Draht zu dieser Frau über die Fotos meiner Kinder, die wir uns auf dem Natel zeigten. Gemeinsamkeit schafft Vertrauen. Oder die Arbeit nochmals vorzeigen anstatt Kritik zu äussern, auch das scheint ein guter Zugang zu sein. Dieser Kurs hat mir viel Mut geschenkt und uns darin bestärkt, dass der gesunde Menschenverstand, das Herzblut und die Liebe zum Menschen ein guter Kompass sind.»