Am Ende der Welt

28. Juli 2020

Die Videos zu unserer Kampagne «Solidarität kennt keine Grenzen» während der diesjährigen Flüchtlingstagen haben viele Menschen berührt. Die Geschichte von Ali Mohebbi, der uns auf Krücken durch das Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos führt, ganz besonders: Wie geht es dem jungen Städteplaner aus Afghanistan, werden wir immer wieder gefragt. Wie lange muss er noch ausharren in diesen unmenschlichen Zuständen? Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) hat ihn direkt gefragt.

«Ich kann nur sagen, komm hierher und schau dir die Probleme aus der Nähe an. Es gibt keine Worte, die dieses Leiden und diesen Schmerz hier beschreiben können». Das ist Ali Mohebbis erster Satz, als wir ihm sagen, dass sein Video sehr viele Menschen berührt habe, die gerne helfen möchten.
Elf Monate harrt Ali Mohebbi nun schon im Camp Moria aus. «Hier scheint das Ende der Welt zu sein. Es ist für alle schwierig hier, für Männer, Frauen, ältere Menschen, Junge, Kinder und Babies», sagt er. «Doch für Menschen mit einer Behinderung so wie ich, ist es vermutlich noch schwieriger. Weil ich für Toilette und Hygiene länger brauche, werde ich oft beschimpft und angeschrien. Im Moment habe ich Probleme mit meiner Haut. Ich kann aber meine Kleider nicht waschen, zu viele Menschen und zu wenig Wasser. Camp Moria ist nicht geschaffen für viele Geflüchtete, aber jetzt leben hier 40'000 Menschen. Diese Menschenmenge und die Rücksichtslosigkeit der verantwortlichen Behörden im Camp verursachen viele Probleme».

«Ich kann nur sagen, komm hierher und schau dir die Probleme aus der Nähe an. Es gibt keine Worte, die dieses Leiden und diesen Schmerz hier beschreiben können.»

Die Verschärfungen des griechischen Asylgesetzes sind seit Januar 2020 in Kraft und wirken sich für die Schutzsuchenden fatal aus. «Viele Geflüchtete haben psychische Probleme, werden depressiv. Aggressionen zwischen Asylsuchenden sind alltäglich. Einige haben sich umgebracht. Selbstverstümmelung ist normal geworden hier, aber niemand von den Offiziellen im Camp schenkt dem Beachtung. Auch mir persönlich setzt es zu, mein linkes Bein beginnt zu schmerzen, es ist kaum auszuhalten», berichtet Ali Mohebbi und fügt hinzu: «Mein Asylinterview soll im März 2021 sein, ich muss bis zu diesem Tag warten!» Eine positive Änderung sei mit den neuen Asylgesetzen kaum zu erwarten, das sei sicher. «Meine Einschätzung gründet auf den Lebensbedingungen jener Menschen, die vor Monaten oder Jahren nach Moria kamen, auch solche, die wie ich auch eine physische Beeinträchtigung haben. Sie sind zwar von der griechischen Regierung als Flüchtling anerkannt worden, doch weder Griechenland noch die UNO haben diese Menschen danach unterstützt. Das führt dazu, dass viele lieber die schlechten Bedingungen in Moria zu ertragen, als in Städte wie Athen oder sonst wo auf das Festland zu gehen.»

Was Ali Mohebbi am meisten helfen würde und was wir hier in der Schweiz für ihn und alle anderen in Moria tun können, ist klar: evakuieren und zwar jetzt! Ali Mohebbi: «Ihr wisst, dass die griechische Regierung viele ökonomische Probleme hat und nicht in der Lage ist, Asylsuchende zu unterstützen. Selbst wenn internationale Organisationen und Institutionen Griechenland helfen, gibt es für Asylsuchende keine Verbesserungen.
Als einer der Asylsuchenden in Moria, der aus nächster Nähe die Notlage der Asylsuchenden dort bezeugen kann, bitte ich dringendst die Schweizer Regierung und die Schweizer Bevölkerung die Stimme der Frauen, Männer und Kinder zu sein, die alle gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen aus Gründen der Gewalt, der Kriege, der Unterdrückung und Diskriminierung. Denn die meisten wurden gegen ihren eigenen Willen zur Migration gezwungen. Ich bitte euch, mit unseren Stimmen das Bewusstsein hierfür zu wecken.»

Ali Mohebbi, Moria 12. Juli 2020

Schweizer Asylsymposium

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