Äthiopien bleibt ein Unruheherd

09. Juli 2019

Die Sicherheitslage in Äthiopien bleibt trotz und teilweise auch wegen der eingeleiteten Reformen fragil. Ethnische und politische Konflikte treiben Millionen in die Flucht. Der gefeierte Hoffnungsträger Abiy Ahmed steht zunehmend unter Druck.

Seit seinem Amtsantritt im April 2018 hat Premierminister Abiy Ahmed in rasantem Tempo bedeutende Reformen durchgeführt, hunderte politische Gefangene freigelassen, das Verbot von politischen Parteien aufgehoben und mit dem benachbarten Eritrea Frieden geschlossen. Oppositionelle im Exil wurden zur Teilnahme am politischen Prozess nach Hause eingeladen und willkommen geheissen. Zudem liess Abiy Ahmed Offiziere, Geheimdienstmitarbeiter und Funktionäre des vorherigen Regimes wegen Korruption und Verstössen gegen Menschenrechte festnehmen. Abiy Ahmed wurde international als Hoffnungsträger gefeiert.

Allerdings machte sich Abiy Ahmed damit auch viele Feinde, vor allem unter der alten Garde, die durch den politischen Wandel an Macht verlor. Im Oktober 2018 marschierten hunderte Soldaten zum Sitz des Ministerpräsidenten unter dem Vorwand, mit ihm über Solderhöhungen sprechen zu wollen. In Wirklichkeit handelte es sich wohl um einen im letzten Moment vereitelten Mordversuch. Schon im Juni 2018 überlebte Abiy Ahmed einen Granatenangriff.

2.9 Millionen Menschen vertrieben

Beobachter begrüssten die eingeleiteten Reformen, wiesen jedoch auch darauf hin, dass der Weg Äthiopiens zu nachhaltigen Erneuerungen steinig sein werde. So sei einerseits die Zukunft der Regierungskoalition, die Abiy Ahmed an die Macht brachte, ungewiss, da der interne und externe Konkurrenzkampf gross sei. Zudem müsse er versuchen, die zunehmenden ethnischen Konflikte zu beruhigen. Von der Weltöffentlichkeit oft übersehen, mussten in Äthiopien im Jahr 2018 über 2.9 Millionen Menschen wegen ethnischen Konflikten fliehen. Nirgends in der Welt wurden im letzten Jahr so viele Menschen innerhalb ihres Landes vertrieben.

Die politische Instabilität zeigte sich erneut am 23. Juni 2019, als bei einem Putschversuch in der Amhara Region der Gouverneur und zwei seiner Mitarbeiter und in der Hauptstadt Addis Abeba der äthiopische Armeechef ermordet wurden. Abiy Ahmed reagierte mit Härte. Die Behörden verhafteten daraufhin hunderte Personen, die im Verdacht standen, die für die Anschläge Verantwortlichen zu unterstützen. Das Internet wurde für sechs Tage abgeschaltet. Die Ermordung des Armeechefs und des Präsidenten der Region Amhara zeigt, wie explosiv die Lage in Äthiopien ist.

Grenzen zu Eritrea sind wieder dicht

Auch das Verhältnis mit Eritrea hat sich in der Zwischenzeit abgekühlt und die Grenzen sind seit April 2019 wieder geschlossen und der Friedensprozess ist auf Eis gelegt. Ob die im Mai 2020 geplanten Wahlen durchgeführt werden können, ist aufgrund der politischen und ethnischen Konflikte zunehmend unklar. Die Zukunft Äthiopiens scheint trotz der begonnenen Reformen prekär und Abiy Ahmed steht vor der grossen Herausforderung, Lösungen für die ethnischen wie auch politischen Konflikte zu finden. Zusätzlich müsste er auch längst überfällige Reformen durchführen, um die äthiopische Wirtschaft zu modernisieren, Wachstum und Investitionen zu fördern und vor allem Arbeitsplätze für junge Menschen zu schaffen, da Äthiopien immer noch zu einem der ärmsten Länder der Welt gehört.

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