Status S: Spielraum bei der Umsetzung ausschöpfen

09. März 2022

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsst den Grundsatzentscheid des Bundesrates, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine rasch und unkompliziert aufzunehmen und umgehend Schutz zu gewähren. Die SFH unterstützt auch die dafür vorgeschlagene Aktivierung des Schutzstatus S und dessen flexible Ausgestaltung, zu der sie konsultiert wurde. Entscheidend ist dabei, dass der S-Status die Mindeststandards der EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz erfüllt, um eine Gleichbehandlung der Kriegsflüchtlinge innerhalb Europas sicherzustellen. Zugleich gilt es aus Sicht der SFH, bei der Umsetzung und Anwendung auch den möglichen individuellen Schutzbedarf sowie die längerfristige Perspektive für die Betroffenen wie für die Kantone, Städte und Gemeinden angemessen zu berücksichtigen.

Die SFH wurde neben Kantonen, Städten, Gemeinden und UNHCR zur Anwendung des Schutzstatus S in der Schweiz konsultiert. In ihrer Stellungnahme begrüsst sie die rasche Reaktion und den Einsatz der Schweizer Behörden für eine solidarische Unterstützung der aus der Ukraine Geflüchteten sowie der Anrainerstaaten der Ukraine. Die SFH anerkennt und schätzt die pragmatische Bereitschaft, rasch der aktuellen Situation angemessene Lösungen zu schaffen und dafür mit den involvierten Akteuren zusammenzuarbeiten.

Der Spielraum des Bundesrats und des Staatssekretariats für Migration (SEM) ist bei der Umsetzung entsprechend auszuschöpfen. Folgende Punkte sind dabei aus Sicht der SFH zu berücksichtigen:

  • Personenkreis: Der Status S soll in der Schweiz analog zum Beschluss der EU-Justiz- und Innenminister gelten für ukrainische Staatsbürger*innen und für Drittstaatenangehörige mit legalem Aufenthalts- oder Schutzstatus in der Ukraine – jeweils mit ihren Familienangehörigen (Partner, minderjährige Kinder und andere nahe Verwandte, die zum Fluchtzeitpunkt unterstützt wurden). Vorübergehender Schutz sollte zudem jenen Drittstaatangehörigen und Staatenlosen gewährt werden, welche sich legal, aber nicht dauerhaft in der Ukraine aufgehalten haben und nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können.
  • Fluchtzeitpunkt: Der Grund für die Vertreibung der Betroffenen und die vorübergehende Schutzgewährung ist der russische Angriffskrieg. Die Regelung sollte daher alle Geflüchteten umfassen, die entweder aufgrund der drohenden oder nach der erfolgten russischen Invasion (24. Februar) geflüchtet sind oder deswegen nicht in die Ukraine zurückkehren konnten.
  • Asylverfahren: Alle Personen, die den Schutzstatus S erhalten, müssen bei Bedarf jederzeit auch die Möglichkeit haben, ein Asylgesuch zu stellen, damit im Verfahren umgehend die Asylgründe individuell geprüft werden können. Diesen Zugang zum Asylverfahren räumt auch die EU-Richtlinie zum vorübergehenden Schutz explizit ein. Das Schweizer Asylgesetz sieht dies nur für Fälle vor, in denen «offensichtlich eine Verfolgung» vorliegt. Aus Sicht der SFH kann allerdings aufgrund der laut SEM zu erwartenden Fluchtbewegung von bis zu 1000 Personen pro Woche und in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht gewährleistet werden, dass die Behörden die Flüchtlingseigenschaft tatsächlich in allen Fällen auf Anhieb erkennen. 
  • Erwerbstätigkeit und Schule: Die vom Bundesrat angekündigte Verkürzung der Wartefrist ist zu begrüssen. Notwendig wäre aus Sicht der SFH indes der vollständige Verzicht darauf, damit die Betroffenen eine unselbständige oder selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen können, sobald sich die Möglichkeit dazu ergibt. Umgehend zu gewährleisten ist zudem der Zugang zu Schulbildung für Kinder im schulpflichtigen Alter.
  • Reisen: Der Bundesrat hat Reiseerleichterungen bereits in Aussicht gestellt. Reisen müssen aus Sicht der SFH ohne Bewilligungspflicht für alle Personengruppen gelten, die unter den Status S fallen.
  • Integration:  Da Verlauf und Dauer des Ukraine-Kriegs derzeit noch nicht absehbar sind und zumindest mit der Möglichkeit einer langfristigen Konfliktsituation gerechnet werden muss, sind für die Betroffenen arbeitsmarktliche und Integrationsmassnahmen vorzusehen und die dazu notwendigen Mittel bereitzustellen – namentlich etwa für Sprach- und Bildungskurse oder Jobcoaches. Davon profitieren nicht nur die Betroffenen, sondern auch Kantone, Städte und Gemeinden.

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