Asylsuchendes Kind in Bulgarien

Dublin-Überstellungen nach Bulgarien stoppen

19. Februar 2020

Das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien würden zwar «besorgniserregende Mängel» aufweisen, konstatiert das Bundesverwaltungsgericht. In einem neuen Referenzurteil listet es die gravierenden Probleme in Bulgarien detailliert auf. Trotzdem will das Gericht Dublin-Überstellungen dorthin aber nicht vollständig aussetzen – selbst besonders verletzliche Personen soll die Schweiz weiterhin nach Bulgarien zurückschaffen können. Aus Sicht der SFH ist das nicht nachvollziehbar: Angesichts der eingestandenen grundsätzlichen Mängel des Asylsystems ist der generelle Verzicht auf Dublin-Rücküberstellungen nach Bulgarien angezeigt, zu dem die SFH seit Langem rät.

Eine Asylsuchende aus Sri Lanka, die zuerst in Bulgarien und dann in der Schweiz Asyl beantragte, darf nicht im Rahmen des Dublin-Verfahrens zurück nach Bulgarien überstellt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) entschieden und damit einen Entscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM) aufgehoben. Es handle sich um eine besonders verletzliche Person in fragilem Gesundheitszustand, die kaum Aussichten auf die notwendige medizinische Behandlung in Bulgarien habe und dort ganz allgemein unzumutbaren Aufnahme- oder sogar Haftbedingungen ausgesetzt wäre, so die Begründung. Daher sei der Verzicht auf eine Überstellung in diesem Fall gerechtfertigt, urteilt das Gericht nach Prüfung der Lage von Asylsuchenden in Bulgarien.

Die SFH begrüsst zwar die Gutheissung der Beschwerde in diesem konkreten Einzelfall. Sie anerkennt auch die vertiefte Auseinandersetzung des BVGer mit dem Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen in Bulgarien. Die Analyse des Gerichts entspricht in weiten Teilen der Einschätzung der SFH: Die Aufnahmebedingungen erfüllen in Bulgarien die rechtlichen Vorgaben nicht, Schutzsuchende haben nur erschwert Zugang zum Asylverfahren, die Unterbringung und Essensversorgung wie auch die medizinische und psychiatrische Betreuung sind unzureichend, selbst Personen, denen Asyl gewährt wird, bleiben existenziell gefährdet, Bulgarien leistet keinerlei Integrationshilfe. Diese grundsätzlichen Mängel dokumentieren diverse Berichte, die die SFH unlängst in einer Auskunft zusammengestellt hat.

Unverständlich ist aus Sicht der SFH indes, welche Schlussfolgerung das BVGer aus seiner Analyse und den festgestellten, im Urteil detailliert aufgelisteten «besorgniserregenden Mängel» zieht: Statt den Schweizer Behörden aber angesichts dessen Dublin-Überstellungen nach Bulgarien generell zu untersagen, sollen solche Rückführungen weiterhin erlaubt sein. Die Mängel seien nicht so schwerwiegend, dass sie als systemisch gewertet werden könnten, so die nicht nachvollziehbare Begründung des Gerichts.

Vollständig auf die Überstellung nach Bulgarien zu verzichten, hält das BVGer nicht einmal bei besonders verletzlichen Personen für gerechtfertigt. Immerhin hält das Gericht fest, dass eine solche Überstellung nur nach einer detaillierten Prüfung eines jeden Einzelfalls durchgeführt werden kann, um auszuschliessen, dass die betreffende asylsuchende Person nach ihrer Rückkehr in Bulgarien unmenschlichen und erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt ist. Das könne auch bedeuten, dass von den bulgarischen Behörden vorab Garantien eingeholt werden müssten, hält das Gericht in seinem Entscheid fest, den es zugleich zum Referenzurteil erklärt. Diese Mindestanforderung an die Prüfung von Dublin-Überstellungen genügt im Falle Bulgariens nicht. Die SFH hält an ihrer Position fest: Sie rät generell von Überstellungen nach Bulgarien ab.

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