Die Schweiz muss ihre Dublin-Praxis ändern

Die Schweiz muss ihre Dublin-Praxis ändern

12. Dezember 2018

Verletzliche Asylsuchende, die nach dem Dublin-III-Verfahren nach Italien zurückgeschickt werden, sind einem hohen Risiko ausgesetzt – ihre Rechte sind nicht gewährleistet. Das belegt der heute publizierte gemeinsame Monitoring-Bericht des Danish Refugee Council (DRC) und der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH). 13 Fälle dokumentieren die miserablen Aufnahmebedingungen für diese Asylsuchenden vor Ort. Die SFH fordert die Schweiz auf, die Dublin-Überstellungen von verletzlichen Personen nach Italien zu stoppen, solange dort keine adäquate Aufnahme gewährleistet ist.

Zehn Jahre sind seit dem Beginn der Teilnahme der Schweiz am Dublin-System verstrichen. Das Fazit: Kein anderes Land in Europa wendet die Dublin-Regeln so strikt an wie die Schweiz: Sie schickt Asylsuchende konsequent dorthin zurück, wo diese erstmals europäischen Boden betreten haben – die meisten nach Italien. Ausnahmen gibt es auch bei verletzlichen Personen kaum, obwohl die Dublin-III-Verordnung explizit ein Selbsteintrittsrecht vorsieht.

Welche Folgen diese strikte Praxis für die Betroffenen hat, zeigt das Beispiel einer türkischen Frau, die via Italien in die Schweiz eingereist war und hier um Asyl ersucht hatte. Obwohl sie in Zürich psychiatrisch behandelt werden musste, schickten sie die Schweizer Behörden ohne weitere Abklärungen für eine mögliche Folgebetreuung nach Italien zurück. Dort blieb die suizidgefährdete Frau mit posttraumatischer Belastungsstörung sich selbst überlassen: Während einer Woche musste sie bei Bekannten und später während einer weiteren Woche auf eigene Kosten in einem Hotel unterkommen. Dann brachten sie die italienischen Behörden in einem Camp mit vorwiegend Männern unter. Sie erkrankte dort und wurde erst nach zwei Wochen in ein Spital eingeliefert. Nur dank der Intervention eines Anwaltes aus Varese erhielt sie schliesslich nach Wochen Zugang zu einem Psychologen und konnte in eine Notunterkunft für Frauen umziehen.

Dieser Fall ist nur die Spitze des Eisberges. Der Monitoring-Bericht der SFH und des DRC dokumentiert eingehend 13 traurige Einzelschicksale von Menschen, die aus der Schweiz, den Niederlanden, Deutschland, Dänemark, Norwegen und Österreich nach Italien überstellt worden sind. Vertreter beider Organisationen haben den Weg dieser Menschen im Zeitraum von März 2017 bis November 2018 beobachtet und sie auch persönlich vor Ort in Italien besucht.

Der alarmierende Befund unterstreicht, wie berechtigt die Kritik der SFH an der Dublin-Praxis der Schweiz ist. Die Unterbringung, Betreuung und Versorgung von Asylsuchenden in Italien hat sich unter der neuen Regierung seit dem letzten Monitoring-Bericht vom Februar 2017 sogar noch verschlechtert. Italien kommt seinen Verpflichtungen nach europäischem und internationalem Recht in vielen Fällen nicht nach. Die SFH fordert die Schweiz dazu auf, von der Überstellung verletzlicher Personen abzusehen und die Asylgesuche dieser Personen in der Schweiz zu prüfen.

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