Datenschutz im Asylbereich

UnverhÀltnismÀssiger Eingriff in die PrivatsphÀre von Schutzsuchenden

02. Juni 2020

Behörden sollen kĂŒnftig auf Handy- und Computerdaten von Asylsuchenden zugreifen können. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates (SPK-N) hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt. Die Schweizerische FlĂŒchtlingshilfe (SFH) lehnt die Vorlage ab, denn sie ist rechtsstaatlich und aus Sicht des Datenschutzes höchst bedenklich.

Die SFH hat sich an der Vernehmlassung zur geplanten GesetzesĂ€nderung in Bezug auf die Mitwirkungspflicht im Asylverfahren und die ÜberprĂŒfungsmöglichkeit von elektronischen DatentrĂ€gern beteiligt. Aus ihrer Sicht sieht der Vorentwurf der SPK-N einen schweren Eingriff in das Recht auf PrivatsphĂ€re vor, wobei die Voraussetzungen dafĂŒr nicht erfĂŒllt sind. Die Vorlage geht zurĂŒck auf die parlamentarische Initiative von SVP-Nationalrat Gregor Rutz, welche verlangt, dass die Schweizer Behörden in Zukunft systematisch auf Smartphones, Tablets, Laptops oder andere DatentrĂ€ger von Asylsuchenden zugreifen können, um die IdentitĂ€t und Staatsangehörigkeit der Betroffenen zu klĂ€ren. Die SFH kritisiert dieses Vorhaben scharf: Es ist rechtsstaatlich und aus Sicht des Datenschutzes höchst bedenklich.

UnverhÀltnismÀssig

Asylsuchende zu verpflichten, ihre elektronischen DatentrĂ€ger zwecks IdentitĂ€tsklĂ€rung auszuhĂ€ndigen ist eine unverhĂ€ltnismĂ€ssige Massnahme. Asylsuchende haben bereits heute eine gesetzliche Mitwirkungspflicht im Verfahren. Sie können dazu auch freiwillig Handy- und Computerdaten als Beweismittel geltend machen – etwa Fotos, die ihre Flucht dokumentieren, oder Korrespondenzen. Zudem nutzt das Staatssekretariat fĂŒr Migration (SEM) bereits jetzt niederschwelligere PrĂŒfverfahren wie etwa die öffentlich zugĂ€nglichen Social-Media-Profile, die vollauf genĂŒgen und das Recht auf PrivatsphĂ€re nicht tangieren. Die systematische Auswertung von elektronischen DatentrĂ€gern fĂŒhrt zu sehr hohen Kosten, welche in keinem VerhĂ€ltnis zum beschrĂ€nkten Nutzen stehen. Die Erfahrungen insbesondere aus Deutschland haben gezeigt, dass weniger als die HĂ€lfte der DatengerĂ€tauslesungen brauchbar waren und nur in ein bis zwei Prozent der FĂ€lle zu einem nennenswerten Nutzen fĂŒhrten. Umso fragwĂŒrdiger ist die Tatsache, dass die Vorlage ĂŒber den in der parlamentarischen Initiative geforderten Zweck hinausgeht: Die Datenauswertung soll laut Vorentwurf nĂ€mlich auch der AbklĂ€rung des Reisewegs dienen.

Unzureichende Grundlage, fehlende Kontrolle

Die gesetzliche Grundlage fĂŒr eine systematische Auswertung der elektronischen DatentrĂ€ger von Asylsuchenden ist unzureichend. Schwerwiegende EinschrĂ€nkungen von Grundrechten erfordern laut Bundesverfassung ein formelles Gesetz als Grundlage. Der Vorentwurf sieht jedoch vor, dass zentrale Aspekte erst auf Verordnungsstufe geregelt werden sollen. Dazu gehört beispielsweise die Triage der fĂŒr die IdentitĂ€tsabklĂ€rung relevanten Daten sowie die Definition, welche Daten erhoben werden.

Der Vorentwurf geht weit ĂŒber die restriktive Regelung der Auswertung von Handydaten im Strafrecht hinaus. Es fehlt insbesondere eine gerichtliche Kontrolle der RechtmĂ€ssigkeit und der VerhĂ€ltnismĂ€ssigkeit, wie sie im Strafverfahren fĂŒr die Überwachung des Fernmeldeverkehrs obligatorisch ist. Im Asylverfahren geht es nicht um potentielle StraftĂ€ter, sondern um Schutzsuchende. Umso stossender ist, dass Asylsuchende hier schlechter gestellt sein sollen. Eine gerichtliche ÜberprĂŒfung der Auswertung elektronischer DatentrĂ€ger muss vorgesehen werden.

Asylsuchende haben auf ihren Handys eine Vielzahl persönlicher und teils höchst sensibler Daten gespeichert. Bei der behördlichen Auswertung können auch besonders schĂŒtzenswerte Daten zu Tage treten. Wie mit solchen «Zufallsfunden» umgegangen werden soll, ist unklar. Dies zeigt aus Sicht der SFH wie heikel das Vorhaben ist, und wie unnötig stark es in den Schutz der PrivatsphĂ€re eingreift. Mit der Datenauswertung erhielten die Behörden auch etwa Zugriff auf Daten von Familienmitgliedern und UnterstĂŒtzern oder auf die Korrespondenz zwischen Schutzsuchenden und AnwĂ€lten – ohne dass diese Dritten vorab eine persönliche Zustimmung erteilt haben.

RĂŒckfragen