Unhaltbare Verschärfung des Reiseverbots

26. August 2020

Der Bundesrat will das Reiseverbot für vorläufig Aufgenommene markant verschärfen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) lehnt dies ab – insbesondere das Reiseverbot in Drittstaaten ist mit den Grundrechten der betroffenen Personen unvereinbar. Zudem fördert der Gesetzesentwurf den Zugang zum Arbeitsmarkt nur ungenügend.

Die heute vom Bundesrat verabschiedete Botschaft zur Revision des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG) sieht aus Sicht der SFH eine unverhältnismässige und nicht akzeptable Verschärfung des Reiseverbots für vorläufig Aufgenommene vor. Die SFH hat dies bereits in ihrer Vernehmlassungsantwort kritisiert. Denn schon heute werden Reisen nur ausnahmsweise und unter sehr restriktiven Bedingungen bewilligt. So können vorläufig Aufgenommene beispielsweise beim Tod eines Familienangehörigen beim Staatssekretariat für Migration (SEM) eine Bewilligung zur Reise in ihre Heimat beantragen. Neu soll nun aber eine Ausnahme nur noch möglich sein zur Vorbereitung der selbständigen und definitiven Ausreise – eine unnötig restriktive Regelung.

Überhaupt nicht nachvollziehbar ist das generelle Reiseverbot in Drittstaaten. Das ist aus Sicht der SFH unverhältnismässig und geht entschieden zu weit. Die SFH kritisiert, dass diese Änderung noch deutlich über die Verschärfungen hinausgeht, die im Parlament gefordert wurden. Die Bewegungsfreiheit ist Teil der persönlichen Freiheit, garantiert durch die Bundesverfassung. Ein Reiseverbot tangiert zudem das Grundrecht auf Familienleben. Die SFH hat mehrfach darauf hingewiesen, dass bereits die heutigen Einschränkungen der Reisefreiheit nicht gerechtfertigt und abzuschaffen sind.

Integration wird kaum erleichtert

Der Gesetzesentwurf sieht zudem die Erleichterung des Kantonswechsels für erwerbstätige vorläufig Aufgenommene vor. Die SFH begrüsst diese Massnahme zwar. Ein Kantonswechsel muss jedoch auch möglich sein, wenn eine Stelle in einem anderen Kanton in Aussicht steht. Die Voraussetzung, dass die betroffene Person vollständig unabhängig von Sozialhilfe sein muss, ist aus Sicht der SFH kontraproduktiv: Ziel ist die Integration in den Arbeitsmarkt. Also müssen vorläufig Aufgenommene auch die Chance wahrnehmen können, einen Job in einem anderen Kanton anzunehmen und aus der Sozialhilfe herauszukommen. Zudem ist die Voraussetzung einer zwölfmonatigen Wartefrist zu streng. Ein Kantonswechsel sollte schon früher möglich sein.

Die SFH bedauert, dass das EJPD sich entschieden hat, an der Bezeichnung «vorläufige Aufnahme» festzuhalten, obwohl sich diese erwiesenermassen integrationshemmend auswirkt. Es braucht stattdessen einen positiven Schutzstatus mit einem unmissverständlichen Namen, welcher die Schutzberechtigung klar zum Ausdruck bringt.

Rund 49'000 Personen leben als vorläufig Aufgenommene in der Schweiz. Sie können nicht in ihr Herkunftsland zurück, weil dort beispielsweise Krieg herrscht oder ihnen Folter droht. Die meisten von ihnen bleiben jahrelang hier. Doch der Status erschwert den Betroffenen, in Gesellschaft und Arbeitsleben Fuss zu fassen. Dadurch entstehen unnötig hohe Folgekosten, unter anderem auch bei der Sozialhilfe. Die SFH fordert daher seit Jahren die rechtliche Gleichstellung von vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen.

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