Sozialhilfe: Weitere Verschärfungen sind unverhältnismässig und unnötig

03. Mai 2022

Der Bundesrat will die Sozialhilfeleistungen für Personen aus Drittstaaten während der ersten drei Jahre nach der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung senken. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) lehnt das Vorhaben entschieden ab. Aus ihrer Sicht ist der Vorschlag weder zielführend noch verhältnismässig. Gleichzeitig würden prekäre Verhältnisse weiter gefördert und ein kantonales Willkürsystem für die Betroffenen geschaffen.

Mit einer Revision im Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) plant der Bundesrat weitere Verschärfungen bei der Sozialhilfe: Der Grundbedarf für Personen aus Drittstaaten soll während der ersten drei Jahre nach der Erteilung einer Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung gesenkt werden. Wie hoch die Kürzung ausfallen soll, will der Bundesrat den Kantonen überlassen.

Die SFH lehnt das Vorhaben in ihrer Vernehmlassungsantwort ab – genauso wie die vorgeschlagene Erweiterung der Integrationskriterien zur Erteilung einer Härtefallbewilligung. Die Instrumentalisierung der Sozialhilfe und der Integrationspolitik zur Kontrolle von Zuwanderung und Aufenthalt ist aus Sicht der SFH inakzeptabel. Sie entspricht in keiner Weise dem in der Bundesverfassung verankerten Grundsatz, sich für das Wohl der Schwächeren einzusetzen.

Eine Kürzung des Grundbedarfs würde aus Sicht der SFH prekäre Verhältnisse weiter fördern. Die Betroffenen leben bereits heute oft unter prekären Bedingungen – und dennoch verzichten viele von ihnen auf die ihnen zustehenden Sozialhilfeleistungen – aus Angst vor dem drohenden Verlust ihrer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung scheuen sie davor zurück, ihr Recht in Anspruch zu nehmen. Hinzu kommt, dass von den nun geplanten Leistungskürzungen zu einem Grossteil Frauen, Familien, Alleinerziehende und Kinder betroffen wären. Aus Sicht der SFH ist es unhaltbar für diese bereits strukturell benachteiligten Gruppen die Unterstützung weiter zu senken.

Die geplante Kürzung der Sozialhilfe für Drittstaatsangehörige ist weder zielführend noch verhältnismässig. Laut einer vom Bund in Auftrag gegebenen Studie beziehen lediglich rund 1'500 Personen aus Drittstaaten in den ersten drei Jahren nach Erteilung der Aufenthalts- oder Kurzaufenthaltsbewilligung überhaupt Sozialhilfe. Die möglichen Einsparungen wären im Hinblick auf die Gesamtkosten der Sozialhilfe minimal.

Zudem fördern Leistungskürzungen nicht die Integration der Betroffenen, sondern wirken kontraproduktiv: Durch den tieferen Betrag an Sozialhilfe werden Betroffene auf nicht-existentielle Auslagen, wie beispielsweise Fahrkosten für den ÖV, verzichten müssen, was auch die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe einschränkt und sich negativ auf die Integration auswirkt.

Kantonale Ungleichbehandlung

Gemäss der Vorlage muss jeder Kanton einzeln festlegen, wie hoch die Leistungskürzung sein soll. Dies würde die kantonale Ungleichbehandlung verstärken. Bereits im Bereich der Asylsozialhilfe sind die Unterschiede zwischen den Kantonen massiv und in keiner Weise zu rechtfertigen. Die Asylsozialhilfe steht Personen im Asylverfahren, vorläufig Aufgenommenen ohne Flüchtlingsstatus und Personen mit Status S zu und hat deutlich tiefere Ansätze als die Sozialhilfe. In vielen Kantonen fehlen öffentlich einsehbare Angaben zu den Berechnungsgrundlagen der Asylsozialhilfe. Mit der geplanten Neuregelung wird in Kauf genommen, dass derselbe intransparente Mechanismus künftig auch auf Personen mit einer Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz angewendet wird.

Dass die tieferen Ansätze der Asylsozialhilfe aber gerade für Personen, deren Integration unterstützt werden soll, nicht zielführend und gerechtfertigt sind, zeigt die aktuelle Diskussion um die Höhe der Asylsozialhilfe für Geflüchtete aus der Ukraine. Im Falle der ukrainischen Geflüchteten sind sich alle einig, dass diese Beträge für eine erfolgreiche Integration nicht ausreichen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dies bei Ausländer*innen aus Drittstaaten oder vorläufig aufgenommenen Personen anders sein sollte.

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