Ein starkes Engagement und eine tiefe Freundschaft

In einem lichtdurchfluteten Café im Herzen von Freiburg treffen sich Françoise und Eisser. Die Freude über das Wiedersehen spiegelt sich in den Gesichtern der beiden Frauen wider. Sie kennen sich seit fast 20 Jahren und haben in dieser Zeit viele gemeinsame Abenteuer erlebt: Unter anderem haben sie einen Verein gegründet, mit dem sie Syrer*innen über ein Jahrzehnt hinweg unterstützt haben. Auch heute noch verbindet die beiden Frauen eine tiefe Freundschaft.

Eisser Sleiman Cagin (45) und Françoise Aubry (86) lernten sich 2004 kennen. «Wir wohnten im gleichen Haus in Sommentier. Ich im dritten Stock, du im zweiten», erinnert sich die Freiburgerin. Eisser ergänzt: «Es war an Weihnachten. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Das erste Mal, dass ich Françoise sah, war, als sie bei mir anklopfte, mit einer Packung Schokolade in der Hand, um mich willkommen zu heissen. Das war eine schöne Geste, ich kannte damals niemanden. Für mich war das der Moment, in dem sich die Tür zur Welt geöffnet hat.»

Eisser kam 2002 alleine in die Schweiz. Damals wurde die kurdische Bevölkerung in Syrien bereits stark vom Assad-Regime unterdrückt. Sie verbrachte ein Jahr in der Freiburger Asylunterkunft Foyer des Remparts. «Ich habe Syrien aus politischen Gründen verlassen, aber ich will darauf nicht näher eingehen. Ich kam in die Schweiz und stellte ein Asylgesuch als politischer Flüchtling. Es hat fast fünf Jahre gedauert, bis mein Gesuch vom SEM bewilligt und ich als Flüchtling anerkannt wurde. Aber ich hatte fundierte Gründe.» Das Verfahren war damals langwieriger als heute. «Man musste einfach warten. In der Zwischenzeit habe ich meinen Mann kennengelernt, wir haben zwei Kinder bekommen, die heute 19 und 21 Jahre alt sind, und ich habe viele Französischkurse besucht. Mein Ziel war es, eine Ausbildung zu machen und meinen Platz hier in der Schweiz zu finden.» Eisser betont: Ohne Françoise hätte sie sich nicht so schnell integriert. «Ihr Empfang hat mir Mut gemacht, auf andere Menschen zuzugehen.»

Als Eisser nach Freiburg kam, war sie 22 Jahre alt und hatte ihre Maturität in der Tasche. Syrische Freund*innen hatte sie keine. Sie erinnert sich an diese ersten, schwierigen Monate: «Als junge Frau ganz allein fühlt man sich vor allem verloren, nicht sicher. Die Sprache, das System, die gesellschaftlichen Regeln, das ist alles sehr viel. Es braucht Zeit, bis man sich zurechtfindet.» Während ihrer ersten Monate in der Schweiz traf Eisser auf viele hilfsbereite Menschen: «Ich hatte Glück. Ich habe eine Frau kennengelernt, die ein Praktikum in einer Anwaltskanzlei machte. Sie hat mich zu den Anhörungen begleitet.»

Für Françoise, die ihr Leben lang als Sozialarbeiterin tätig war, war es von jeher selbstverständlich, anderen Menschen die Hand zu reichen. «Etwas in mir hat mich einfach dazu bewegt, auf andere zuzugehen. Das kam ganz von selbst, ganz natürlich. Ich erinnere mich gut daran, wie ich Eisser zu meinem 70. Geburtstag eingeladen habe. Im Dorf, im Haus meiner Grosseltern. Wir waren eine ganze Gruppe.»

Die beiden Frauen verbindet eine tiefe Freundschaft und so gründeten sie 2012 ganz selbstverständlich den Verein Passerelle Suisse-Syrie. «Ich spürte, dass da Vertrauen zwischen uns war. Das war glaube ich die Grundlage für unser späteres Abenteuer mit Passerelle», erinnert sich Françoise. Eisser ergänzt: «Ich habe mich mit Françoise immer sehr wohlgefühlt, weil sie mich nie gedrängt hat, Dinge zu sagen, bevor ich dazu bereit war. Ich habe mich immer so akzeptiert gefühlt, wie ich bin. Es war von Herz zu Herz glaube ich.» Der Verein basierte auf Freiwilligenarbeit und der Freundschaft der beiden Frauen. Insgesamt wurden über 250’000 Franken gesammelt und an die lokale Bevölkerung in Syrien gespendet. Die beiden Freundinnen organisierten zudem zahlreiche Unterstützungsessen, bei denen sie teilweise bis zu 120 Personen bewirteten. «Oh ja, das war was», erinnert sich Françoise mit einem breiten Lächeln. «Ein Riesenerfolg! Die Leute waren überwältigt.» Eissers und Françoises Augen strahlen, wenn sie an diese schönen, intensiven Momente zurückdenken.

Françoise erzählt, wie sie der Kontakt mit Eisser hat wachsen lassen: «Ich habe durch sie Toleranz, Mut und Willenskraft gelernt. Ich habe immer gespürt, dass sie niemals aufgegeben hat, das hat mich tief beeindruckt. Sie ist sehr zielstrebig und lässt sich nicht unterkriegen. Das liegt einfach in ihrer Natur.» Françoise erinnert sich, auch viel von Ali, einem von Eissers Söhnen, der autistisch ist, gelernt zu haben: «Wir haben einen Parcours gemacht. Das war so lustig. Ich habe ihm immer ein paar Trockenfrüchte mitgenommen, um ihn zu motivieren. Und wenn er keine Lust mehr zum Weitergehen hatte, haben wir uns hingesetzt. Das waren einzigartige Momente, das mit diesem Kind zu teilen. Ich habe viel Zeit mit ihm verbracht. Ich hatte ihn sehr gern, und er mich auch.»

Zwar hat der Verein 2022 nach zehn Jahren seine Aktivitäten eingestellt, die Freundschaft der beiden Frauen besteht jedoch weiter. Ebenso wie ihr Wunsch, sich für andere Menschen einzusetzen. Beide engagieren sich nach wie vor auf ihre eigene Weise und schenken ihre Zeit und Energie Menschen und Organisationen, die sie benötigen.

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