«Einen sicheren Hafen bieten»

Am 31. März 2022 öffneten Nicole Kleiner und Thomas Blank die Türen ihres Zuhauses für die ukrainische Geflüchtete Maryna Homenyuk. Über ein Jahr ist seither vergangen, und die drei wohnen immer noch zusammen. Sie erzählen uns von ihrer Begegnung, was sie bis jetzt erlebt haben und was sie noch gerne zusammen teilen möchten.

«Eine Freundin wusste, dass wir ein Zimmer frei haben, das wir auch auf einer offiziellen Website ausgeschrieben hatten. Sie rief mich in der Woche zuvor an und fragte, ob das Zimmer noch zu haben sei. Eine junge Frau namens Maryna brauche eines», erklärt Nicole. Thomas und Nicole haben vorher noch nie Geflüchtete bei sich aufgenommen.

Als der Krieg ausbrach, hatte Maryna Homenyuk keine andere Wahl, als ihre Lebenspläne zu ändern und das Land zu verlassen. Die studierte Soziologin und Juristin fand sich als Geflüchtete in der Schweiz wieder – in ihrem Herkunftsland hatte sie sich selbst aktiv für Menschenrechte und Geflüchtete engagiert.

Aus dem Zusammenwohnen wird Freundschaft

Nicole und Thomas zögerten nicht: «Wir wussten überhaupt nichts über Maryna, und natürlich stellten wir uns so einige Fragen. Doch wir beschlossen, ihr die Tür zu öffnen», berichtet Thomas. Laut Nicole haben sie Maryna nicht nur die Tür, sondern auch das Herz geöffnet: «Maryna ist ein Goldschatz», sagt sie.

In einem Jahr haben sie viel gemeinsam erlebt. Einige Momente sind besonders in Erinnerung geblieben, etwa die Hochzeit von Nicole und Thomas, ihr Sommerfest, der Tag, an dem Maryna ihrer Gastfamilie ihren Freund vorstellte, oder als Thomas mit Marynas Vater, der in der Ukraine geblieben war, am Telefon über das Anpflanzen von Kartoffeln sprach. Aus all diesen gemeinsamen Momenten ist eine Freundschaft entstanden.

Unterstützungsangebot

Nicole rät, dass man sich selbst bleibt und seine Gewohnheiten nicht ändert, wenn man jemanden bei sich aufnimmt. Das Zusammenwohnen funktioniert bei ihnen auch, weil alle ihren privaten Raum haben. «Privaten Raum zu haben, fördert die persönliche Entwicklung», betont Nicole.

Für Nicole und Thomas war es wichtig, Maryna mehr als ein Dach über dem Kopf zu bieten. «Wir wollten Unterstützung bieten, einen sicheren Hafen», erklärt Thomas. «Wir haben sie von Anfang an einbezogen und mitgenommen, wenn wir irgendwohin gingen, beispielsweise zum Abendessen bei Freunden», ergänzt Nicole. Dem Paar bedeutet es viel, dass die geflüchtete Person nicht nur unter ihrem Dach wohnt, sondern dass sie auch gemeinsam Zeit verbringen.

Ein Leben und eine Zukunft aufbauen

Im Laufe der Zeit hat sich Maryna hier in der Schweiz ein Leben aufgebaut. Sie hat inzwischen Freundinnen, ein Netzwerk, einen festen Freund und Zukunftspläne, letzteres dank ihrer Gastfamilie. Zu Beginn absolvierte Maryna ein Ausbildungsprogramm an der Berner Fachhochschule, aktuell besucht sie einen Intensivkurs in Französisch. Dass sie von Nicole und Thomas überall miteinbezogen wurde, bedeutet ihr viel. «Ich bin allein hier angekommen und am Anfang war es sehr wichtig für mich, Unterstützung zu spüren. Meine Gastfamilie hat ihr Haus, ihren Komfort, ihre Traditionen, ihre Küche, ihre Erfahrungen und ihre Beziehungen mit mir geteilt.»

«Heute kann ich sagen, dass meine Gastfamilie zu meiner Familie geworden ist», so Maryna. Sie fügt hinzu, dass sie nie krank war, seit sie bei Nicole und Thomas wohnt. «Ich bin bei guter Gesundheit, ich fühle mich gut, ich fühle mich bei Nicole und Thomas zu Hause», erklärt Maryna mit einem breiten Lächeln.

Die Tür steht immer offen

 «Wenn Maryna eines Tages beschliesst, auszuziehen, weiss sie, dass ihr die Türen unseres Zuhauses immer offen stehen. Maryna ist jetzt Teil unseres Lebens», meint Nicole. Und wenn sie nochmals vor der Entscheidung stünden, Gastfamilie zu sein, würden Nicole und Thomas nicht zögern: Sie würden ihre Türen erneut für eine geflüchtete Person öffnen.

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