Verletzliche Gruppen sind von Krisen immer besonders betroffen. Zu ihnen gehören auch Geflüchtete. Die zahllosen Flüchtlingslager auf der ganzen Welt mit ihren ungenügenden sanitären Einrichtungen und den engen Raumverhältnissen werden in Zeiten von Corona für viele Geflüchtete zur tödlichen Gefahr. Gleichzeitig ist der Zugang zum Asylverfahren vielerorts eingeschränkt und Grundrechte werden in Frage gestellt.
Auch in der Schweiz ist das Asylwesen von der Corona-Krise betroffen. Die SFH setzt sich dafür ein, dass der uneingeschränkte Zugang von Schutzsuchenden zum Asylverfahren und faire Verfahrensabläufe auch während der Pandemie erhalten bleiben. Seit die Pandemie im Februar 2020 die Schweiz erfasst hat, verläuft die Entwicklung äusserst dynamisch.
4.12.2020: Der Bundesrat beschliesst weitere Massnahmen, um den teilweise wieder ansteigenden Fallzahlen zu begegnen. Die Kapazitätsbeschränkung in grösseren Läden wird verschärft, in Restaurants müssen die Kontaktdaten der Gäste obligatorisch erhoben werden. Zusätzlich empfiehlt der Bundesrat dringend, Treffen im Privaten und in Restaurants auf zwei Haushalte zu beschränken. Die Situation im Asylwesen bleibt angespannt. Die Organisation von Terminen im Verfahren sowie Unterbringung ist in allen Regionen sehr herausfordernd. Bei Personen in Quarantäne führt das SEM teilweise keine Verfahrensschritte mehr durch, der Rechtsschutz nimmt in dieser Zeit zum Teil keine Entscheide im Asylverfahren an, bis die Quarantäne abgeschlossen ist.
12.11.2020: In ihrem Positionspapier vom 12.11.2020 unterstreicht die SFH ihre bisherigen Forderungen, wonach die Rechte der Asylsuchenden jederzeit gewährleistet und insbesondere die Rechtsweggarantie und die Verfahrensgarantien sichergestellt sein müssen. Angesichts der stark steigenden Corona-Zahlen fordert die SFH, dass die BAG-Massnahmen im Asylbereich konsequent umgesetzt werden. In ihrer Argumentation fokussiert sie insbesondere auf den Bereich Unterkunft. Konkret fordert sie eine Erhöhung der Unterbringungskapazitäten in den Kollektivunterkünften von Bund und Kantonen, genügend geschultes Personal sowie ausreichend Covid-19-Schutzmasken, Desinfektionsmittel und Seife. Sanitäranlagen sollen häufiger gereinigt und desinfiziert werden, bei der Essensausgabe müssen Maskenpflicht und Abstände eingehalten werden. Die SFH hält fest, dass für Asylsuchende aufgrund des Gleichheitsgebotes grundsätzlich dieselben Bestimmungen und Massnahmen zur Umsetzung und Einhaltung der BAG-Richtlinien zu gelten haben wie für die übrige Bevölkerung in der Schweiz. Ein Übernachtungsverbot am Wochenende ausserhalb der Zentren oder ein allgemeines Ausgehverbot für Asylsuchende während den erlaubten Ausgangszeiten stellen Sonderregeln für Asylsuchende dar, welche gegen das Diskriminierungsverbot verstossen.
28.10.2020: Der Bundesrat beschliesst erneut Massnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie. Die Covid-19-Verordnung «besondere Lage» vom 19.6.2020 wird entsprechend angepasst. Unter anderem gilt eine ausgedehnte Maskenpflicht im öffentlichen Raum sowie eine Beschränkung bei Versammlungen auf 10 Personen im Privatbereich und 15 Personen im öffentlichen Raum. Die Westschweizer Kantone beschränken diese Massnahme auf 5 Personen. In den Asylzentren gilt Maskenpflicht ausserhalb der Schlafräume und Isolation bei einer Ansteckung. Da die Zentren nur noch zur Hälfte belegt werden dürfen, um die Distanzvorgaben einzuhalten, benötigt der Bund weitere Unterbringungsplätze.
25.9.2020: Das Parlament verabschiedet das Covid-19-Gesetz, welches gemäss Art. 5 dem Bundesrat ermöglicht, zwecks Schutz der Gesundheit abweichende Massnahmen in der Unterbringung von Asylsuchenden sowie im Asyl- und Wegweisungsverfahren zu treffen und die Einreise von Ausländerinnen und Ausländern einzuschränken. Dabei berücksichtigt das Parlament einige Empfehlungen der SFH. So fügt es etwa für Familienzusammenführungen eine Ausnahme bei den Einreisebeschränkungen ins Gesetz ein. Eine Ausnahme für Asylsuchende findet hingegen keine Mehrheit. Dafür nimmt das Parlament einzelne SFH-Empfehlungen zur Verlängerung der gesetzlichen Fristen in die Vorlage auf, die im Entwurf noch nicht vorgesehen waren. Das verabschiedete Gesetz legt aber auch die Grundlage für die in der Covid-19-Verordnung «Asyl» festgelegte Massnahme, wonach Befragungen auch ohne die Anwesenheit der Rechtsvertretung durchgeführt werden können. Letzteres kritisiert die SFH.
19.8.2020: Nach Verabschiedung der Botschaft zum Covid-19-Gesetz kritisiert die SFH, dass ihre Anliegen im Gesetzesentwurf nicht berücksichtigt wurden. Insbesondere beanstandet sie, dass die Bestimmungen zum Asylverfahren und zur Unterbringung, die von der geltenden Asylgesetzgebung abweichen, nicht auf Gesetzesstufe präzisiert und verankert worden sind und dass keine Ausnahmebestimmung für Asylsuchende bezüglich der Einreisebeschränkungen vorgesehen ist.
9. 7.2020: In ihrer Vernehmlassungsantwort zum Covid-19-Gesetz setzt sich die SFH für die Einhaltung der Richtlinien des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) im Asylbereich ein. Sie unterstreicht ausserdem ihre Forderung, dass die Anhörungen nur mit Rechtsvertretung stattfinden dürfen und dass der Zugang zum Asylverfahren weiterhin gewährleistet sein muss.
19.6.2020: Mit der «Verordnung 3 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus» kehrt die Schweiz zur «besonderen Lage» zurück. Gleichentags eröffnet der Bundesrat die Vernehmlassung zum Covid-19-Gesetz, mit dem die bisher geltenden Notverordnungen in ein dringliches Bundesgesetz überführt werden sollen. Dieses erlaubt grundsätzlich abweichende Bestimmungen zum Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) und Asylgesetz (AsylG) in Bezug auf die Einreisebeschränkung sowie die Unterbringung von Asylsuchenden und die Durchführung der Asyl- und Wegweisungsverfahren.
1.4.2020: Mit der «Verordnung über Massnahmen im Asylbereich im Zusammenhang mit dem Coronavirus» beschliesst der Bund weitere Massnahmen, um die Gesundheit aller am Asylverfahren beteiligten Akteure zu schützen. Die Verordnung sieht vor, dass die Anzahl der Teilnehmenden an einer Befragung im gleichen Raum reduziert wird und diese mittels technischer Hilfsmittel zugeschaltet werden. Auch erlaubt sie die Durchführung von Befragungen ohne Anwesenheit der Rechtsvertretung, wenn diese aufgrund des Coronavirus nicht teilnehmen kann. Die SFH begrüsst in ihrer Medienmitteilung grundsätzlich die Massnahmen des Bundesrats, fordert aber, dass die Teilnahme der Rechtsvertretung an den Anhörungen in jedem Fall gewährleistet sein muss.
30.3.2020: Die SFH verlangt die Einhaltung völkerrechtlicher Vorgaben, damit Asylsuchende weiterhin einen Asylantrag in der Schweiz stellen können. Aus ihrer Sicht ist in jedem Fall an der Grenze zu prüfen, ob eine allfällige Rücküberstellung gegen das sogenannte Refoulement-Verbot verstösst und ob Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung in einen anderen Dublin-Staat sprechen.
20.3.2020: In einem offenen Brief an Bundesrätin Karin Keller-Sutter fordert die Schweizerische Flüchtlingshilfe die umgehende Sistierung der Asylverfahren. Aus ihrer Sicht sind die Sicherheit der beteiligten Personen nicht genügend gewährleistet und faire rechtsstaatliche Asylverfahren nicht mehr vollumfänglich möglich. Die Intervention der SFH und anderer Organisationen zeitigt Erfolg: Das Staatssekretariat für Migration (SEM) ergreift innerhalb von zwei Wochen Massnahmen und passt die Zustände in den Bundesasylzentren (BAZ) den Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit (BAG) an. Dabei handelt es sich u.a. um Plexiglasscheiben in Anhörungsräumen sowie die separate Unterbringung von Asylsuchenden mit Verdacht auf eine Infektion. Auch wird die Anzahl der Teilnehmenden an Anhörungen im selben Raum reduziert und diese werden stattdessen per Videokonferenz zugeschaltet.
13.3.2020: In seiner «Verordnung 2 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus» erklärt der Bundesrat die «ausserordentliche Lage». Neben umfassenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Schliessung von Läden und Freizeiteinrichtungen erlässt die Schweiz ein generelles Einreiseverbot. Dieses gilt auch für Asylsuchende.
28.2.2020: In seiner «Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus» ruft der Bundesrat die «besondere Lage» gemäss Epidemiengesetz aus. Verbunden damit sind weitgehende Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Im Asylbereich werden noch keine konkreten Massnahmen getroffen.